Blinder Instinkt - Psychothriller
Blick von dem Urwald zu nehmen.
Kindler sah ihn an, runzelte die Stirn. »In dem anderen Raum hat er aber auch jemanden gefangen gehalten. Da sieht es genauso aus.«
15
Springen konnte er wegen seiner lädierten Fußgelenke nicht, also rutschte Max die Böschung hinunter in den weichen Sand des schmalen Strandes am Ufer des Meerbaches.
Eduard Sauter, der mit dem Rücken zum Bach dastand, beobachtete ihn. Er hatte der jungen Frau mit dem langen, kupferroten Haar einen Arm um den Hals gelegt, presste sie eng an sich und hielt die Spitze einer Einwegspritze an ihren Hals. Die feine Nadel war weniger als zwei Zentimeter von ihrer Haut entfernt. Die junge Frau trug nur Boxershorts und einen BH, war dürr, fast ausgemergelt, und ihre Kraft reichte nicht, um sich gegen Sauter zur Wehr zu setzen. Sie hing starr vor Angst in seinem erbarmungslosen Griff, die
grau-grünen, blinden Augen weit aufgerissen. Auf ihren Wangen zogen sich Flügel aus Sommersprossen bis zum Nasenrücken.
»Hau ab!«, schrie Sauter.
Sein Gesicht war eine blutverschmierte Maske, die Augen fast zugeschwollen, viel sehen konnte er nicht mehr. Seine zurückgezogenen Lippen offenbarten zwei große Lücken zwischen den vorderen Zähnen. Max hatte nicht mal gemerkt, dass er ihm die Zähne ausgeschlagen hatte.
»Hau ab, oder ich steche zu. In der Spritze ist das Sekret des Pfeilgiftfrosches. Niemand kann ihr mehr helfen, wenn ich es injiziere.«
Sauter nuschelte und lispelte, aber Max verstand ihn.
»Lass sie los«, sagte er mit ruhiger Stimme.
Mit der jungen Frau ging eine Veränderung vor sich. War sie eben noch apathisch und angststarr gewesen, so straffte sich jetzt ihr Körper, und sie riss die Augen noch weiter auf. Ihre Lippen bebten.
»Ich bringe sie um, ich schwöre es. Du lässt mich gehen, oder ich bringe sie um.« Sauter schrie, seine Stimme überschlug sich, er war einer Panik nahe.
Max ging einen Schritt auf ihn zu. »Hier bist du als Kind oft mit deinem Onkel zum Angeln gewesen, oder?«, fragte er. »Hier hast du uns beobachtet, hast gesehen, wie sie sich ausgezogen hat, und da hast du deinen Plan geschmiedet.«
»Du weißt nichts, überhaupt nichts! Bleib da stehen, sonst steche ich zu!«
Sauters Hand zitterte stark. Er war schwer verletzt, hielt sich mühsam auf den Beinen, und es war nur eine Frage der Zeit, bis er zusammenbrechen würde.
Es kostete Max Mühe, am Gesicht der jungen Frau vorbeizuschauen,
aber er schaffte es und sah Sauter an. In dessen Augen schien es zu lodern. Hass, Wut, Schmerz, alles brannte zugleich darin. Der Mann war unberechenbar und würde sich nicht auf ein Gespräch einlassen, das kapierte Max.
Auf dem Acker jenseits des Baches stieg lärmend ein Schwarm Saatkrähen auf. Ihr Gekreische, die Sonne, das Plätschern des Wassers, die golden schimmernden Getreidefelder, all das versetzte Max zurück in die Vergangenheit, zu jenem schönen Tag, den er hier gemeinsam mit seiner Schwester verbracht hatte. Und es spülte auch die unbedeutenden Details hervor, die über die Jahre verschüttet geblieben waren.
Der nächste Satz war wie ein Reflex; automatisch, ohne darüber nachdenken zu müssen, verließen die Worte seine Lippen.
»Du hast aber wirklich einen verdammt harten Schädel«, sagte Max laut und deutlich.
»Was?«, geiferte Sauter.
»Du hast einen verdammt harten Schädel«, wiederholte Max.
Ansatzlos riss die junge Frau mit Wucht den Kopf zurück. Ihr Hinterkopf schlug gegen Sauters Unterkiefer. Der taumelte zurück, lockerte seinen Griff, die junge Frau rutschte nach unten zwischen seinen Armen heraus, und beide gingen zu Boden.
Sofort war Max über ihm. Er packte die Hand, die immer noch die Spritze hielt, und brach ihm mit einem heftigen Ruck die Finger. Die Spritze fiel in den Sand, Sauter heulte auf wie ein Hund. Noch einmal versuchte er, sich aufzubäumen, doch es war ein jämmerlicher, kraftloser Versuch. Max packte Sauters Haar und schleifte ihn zum Wasser hinunter.
Dort ließ er ihn mit dem Gesicht in den Sand fallen, stellte sich breitbeinig über ihn, griff mit beiden Händen erneut in sein Haar, zog ihn ein Stück vor und drückte sein Gesicht unter Wasser.
Sauter zappelte mit den Händen und Füßen, aber aus Max’ eisenhartem Griff entkam er nicht. Gnadenlos drückte Max ihn unter Wasser, während er selbst zu den Weizenfeldern am gegenüberliegenden Ufer aufsah.
Er würde es jetzt zu Ende bringen, ein für alle Mal. Dieser Unmensch hatte keine Gnade verdient. Durch seine
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