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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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musste, und einen Besucherpass.
    »Sehen Sie die Kiefer dort?«, sagte er und deutete mit dem Finger.
    »Ich sehe mehrere Kiefern.«
    »Die kleine schief Gewachsene. Dort biegen Sie links ab und fahren zum Wasser Ma'am«, sagte er. »Einen schönen Tag noch.«
    Ich fuhr weiter, kam hier und da an riesigen Autoreifen und an ein paar roten Klinkergebäuden mit Schildern der US-Zollbehörde und der Marine vorbei. Der Hafen selbst bestand im Wesentlichen aus riesigen Lagerhallen voller orangefarbener Container, die aufgereiht an Verladedocks standen wie Tiere an Trögen. Im James River lagen zwei Containerschiffe, die Euroclip und die Sirius, beide ungefähr doppelt so lang wie ein Footballfeld. Zig Meter hohe Kräne ragten über swimmingpoolgroßen offenen Luken auf.
    An Leitkegeln befestigtes gelbes Band sperrte weitläufig einen Container ab, der auf ein Chassis montiert war. Niemand befand sich in der Nähe. Außer einem zivilen blauen Caprice am Rand eines Docks entdeckte ich nichts, was auf Polizeipräsenz hinwies.
    Die Fahrerin des Wagens sprach durch das Fenster mit einem Mann in weißem Hemd und Krawatte. Nirgendwo wurde gearbeitet. Schauermänner mit Schutzhelmen und reflektierenden Westen standen gelangweilt herum, tranken Limonade oder Wasser oder rauchten.
    Ich rief mein Büro an und ließ mich mit Fielding verbinden.
    »Wann wurden wir von dem Fund der Leiche unterrichtet?«, fragte ich ihn.
    »Moment. Da muss ich nachsehen.« Papier raschelte. »Um genau zehn Uhr dreiundfünfzig.«
    »Und wann wurde sie gefunden?«
    »Anderson schien das nicht zu wissen.«
    »Wie zum Teufel ist es möglich, dass sie so etwas nicht weiß?«
    »Wie gesagt, ich glaube, sie ist neu.«
    »Fielding, hier ist weit und breit kein Polizist zu sehen außer ihr, ich nehme zumindest an, dass sie es ist. Was genau hat sie gesagt, als sie den Fund meldete?«
    »Bei Ankunft tot, verwest, wollte, dass Sie zur Fundstelle kommen.«
    »Sie wollte ausdrücklich, dass ich komme?«
    »Na ja, Sie sind immer jedermanns erste Wahl. Das ist nichts Neues. Aber sie sagte, Marino hätte ihr aufgetragen, Sie zu holen.«
    »Marino?«, sagte ich überrascht. »Er hat sie angewiesen, mich hierhin zu zitieren?«
    »Ja, ich fand auch, dass das ein bisschen präpotent von ihm war.«
    Mir fiel ein, wie Marino gesagt hatte, er würde kurz vorbeischauen, und wurde noch wütender. Erst brachte er eine Anfängerin dazu, mir praktisch einen Befehl zu erteilen, und wenn er es einrichten konnte, würde er vorbeischauen und nachsehen, wie es uns ging?
    »Fielding, wann haben Sie zum letzten Mal mit ihm gesprothen?«, fragte ich.
    »Das ist Wochen her. Er war unglaublich mies gelaunt.«
    »Nicht halb so mies wie ich es sein werde, falls er sich irgendwann doch noch entschließen sollte, hier aufzukreuzen«, versprach ich ihm.
    Hafenarbeiter sahen mir zu, wie ich aus meinem Wagen stieg und die Kofferraumklappe aufschnappen ließ. Ich griff nach Koffer, Overall und Schuhen und spürte ihre Blicke auf mir, während ich auf das Zivilfahrzeug zuging und mich mit jedem mühsamen Schritt, bei dem der schwere Koffer gegen mein Bein schlug, mehr ärgerte.
    Der Mann in Hemd und Krawatte schwitzte und wirkte unglücklich, als er die Hand vor die Augen hielt und zu den zwei Hubschraubern vom Fernsehen hinaufblickte, die in hundertdreißig Metern Höhe langsam über dem Hafen kreisten.
    »Verfluchte Reporter«, murmelte er und wandte sich dann mir zu.
    »Ich suche nach der Person, die für die gefundene Leiche zuständig ist«, sagte ich.
    »Das bin ich«, sagte eine weibliche Stimme im Caprice.
    Ich beugte mich vor und schaute durch das Fenster auf die junge Frau hinter dem Lenkrad. Sie war stark gebräunt, ihr braunes Haar war kurz geschnitten und glatt nach hinten gekämmt, große Nase, kräftiges Kinn. Ihre Augen blickten hart, sie hatte eine ausgewaschene weite Jeans, schwarze lederne Schnürstiefel und ein weißes T-Shirt an. Ihre Waffe trug sie an der Hüfte, ihr Dienstabzeichen an einer Kette um den Hals. Die Klimaanlage war angeschaltet, aus dem Radio klang Softrockmusik und übertönte die Polizeimeldungen im Scanner.
    »Detective Anderson nehme ich an«, sagte ich.
    »Rene Anderson. Höchstpersönlich. Und Sie müssen der Doc sein, von dem ich schon so viel gehört habe«, sagte sie mit der Arroganz, die viele Leute an den Tag legen, die nicht wissen, was sie tun.
    »Ich bin Joe Shaw, der Hafenmeister«, stellte sich der Mann mir vor. »Sie müssen diejenige sein,

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