Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
›Wir erzählen lieber niemandem von deinem Bruder und seiner Krankheit, Oren‹, hat sie zu mir gesagt. Als wäre ich scharf darauf gewesen, damit hausieren zu gehen, dass mein Zwillingsbruder, also gewissermaßen mein zweites Ich, nicht ganz dicht ist. Ein Glück, dass ich ihn endlich los bin. Diesen dämlichen Schwachkopf. Er sollte sich selber das Licht ausblasen, aber nicht mal das hat er hingekriegt.« Unvermittelt veränderte sich sein Tonfall. »Wo zum Teufel wollen Sie hin?«
Er hatte Caroline dabei ertappt, wie sie sich zentimeterweise in Richtung Essbereich geschoben hatte. Dort lag, wie Berry sich erinnerte, ihr Handy auf dem Tisch.
Dodge, wieso bist du nicht hier?
Wo bist du, Ski?
Doch sie konnte nicht auf ihre Hilfe zählen. Ebenso wenig wie auf irgendjemand anderen. Das hier war ihre Schlacht. Sie musste dafür sorgen, dass ihre Mutter und sie am Leben blieben.
Ski lief in Richtung Haus, als sein Telefon läutete. Er hob ab, ohne auf das Display zu schauen. »Berry?«
»Nein. Sheriff Drummond. Sehe ich das richtig, dass sich Oren Starks immer noch auf freiem Fuß befindet?«
»Ich fürchte, ja, Sir.«
Ski schilderte ihm mit knappen Worten, was sie herausgefunden hatten. Gerade als Drummond etwas erwiderte, ertönte das Piepen, das einen weiteren Anruf ankündigte. »Entschuldigen Sie, Sir, sobald ich mehr weiß, melde ich mich bei Ihnen, aber gerade kommt ein Anruf herein, den ich annehmen muss.«
Ohne die Erwiderung seines Vorgesetzten abzuwarten, beendete er das Gespräch und meldete sich auf der anderen Leitung. »Berry?«
Einer der Deputys war am Apparat. »Ski, wir haben hier ein Problem.«
»Was ist los?«
»Ein paar Pferde sind aus ihrer Koppel ausgebrochen.«
Ski, dessen Gedanken ausschließlich um die angespannte Lage kreisten, brauchte einen Moment, um den Sinn dieser Worte zu begreifen. »Pferde?«, wiederholte er.
»Sie laufen am Highway entlang und sind völlig von der Rolle. Sie behindern sogar den Verkehr. Eigentlich sollten Andy und ich doch sämtliche Bootsverleiher abklappern, aber wir können uns nicht aufteilen, und wenn jemand eines der Pferde überfährt …«
Der Deputy brauchte ihm die Folgen nicht zu schildern. Der Verlust eines Pferdes wäre zu verkraften, doch ein Autofahrer könnte bei dem Unfall schwer verletzt oder sogar getötet werden. »Sind Sie zusammen unterwegs?«
»Ja. Stevens wollte …«
»In Ordnung. Sehen Sie zu, dass Sie die Pferde einfangen und dorthin zurückbringen, wo sie hingehören. Und dann kümmern Sie sich um die Bootsverleiher. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Alles klar.«
Ski überprüfte sein Telefon auf weitere Anrufe. Nichts. Er drückte die Kurzwahltaste von Carolines Festnetznummer. Es klingelte, dann sprang der Anrufbeantworter an. Fluchend wählte er Berrys Handynummer. Der Anruf ging direkt auf die Mailbox. Er sah auf die Uhr. Sieben Minuten waren vergangen, seit er mit Caroline gesprochen hatte. Er versuchte es noch einmal mit der Festnetznummer, ehe er, als erneut niemand abhob, Dodge anrief.
»Und?«
»Könnten Sie Caroline für mich auf dem Handy anrufen? Ich habe die Nummer nicht. Sie hatte versprochen, sich sofort bei mir zu melden, sobald sie und Berry wieder im Haus sind. Aber ich habe nichts von ihnen gehört.«
»Und Sie sind gerade auf dem Weg dorthin?«
»Ja. Ich biege in dieser Sekunde auf die Lake Road ab. Ich versuche es noch einmal auf Berrys Handy. Und Sie rufen Caroline an.«
»Alles klar.«
Ski wählte Berrys Handynummer. Dann noch einmal den Festnetzapparat des Hauses. Beide Male ging niemand ran. Elf Minuten waren verstrichen. Mehr als genug Zeit für Caroline, um Berry hereinzurufen. Es sei denn, dachte er mit einem Anflug von Erleichterung, sie war gar nicht im Pool schwimmen gegangen, wovon er automatisch ausgegangen war. Aber vielleicht war sie ja in den See gesprungen. In diesem Fall würde es länger dauern, bis die beiden Frauen ins Haus zurückgekehrt waren.
Caroline hätte ans Ende des Anlegestegs gehen müssen. Vielleicht war Berry ein ganzes Stück hinausgeschwommen, und Caroline hatte mehrere Minuten gebraucht, um sie auf sich aufmerksam zu machen, und weitere Minuten waren vergangen, bis Berry zurück ans Ufer geschwommen, aus dem Wasser gestiegen und zum Haus zurückgekehrt war.
Wieder läutete sein Telefon. »Berry?«
»Nein, ich bin’s«, sagte Dodge. »Sie geht nicht ran.«
»Verdammt. Ich hätte sie bitten müssen, dass sie das Telefon mit nach draußen
Weitere Kostenlose Bücher