Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
her.
Berry stand noch immer fassungslos da. Wie um alles in der Welt war das möglich? Sie hatte doch sein Gehirn aus der Schusswunde an seiner Schläfe quellen sehen, hatte zugesehen, wie sein Körper von heftigen Krämpfen geschüttelt wurde. Der Arzt hatte ihn für tot erklärt. Und nun stand er hier, scheinbar kerngesund und wohlbehalten. Keine Spur von den Kratzern und Schrammen im Gesicht und auf den Armen, die er sich bei der Flucht durchs Thicket zugezogen hatte. Und auch sein Schienbein war völlig intakt.
Der einzige Unterschied zwischen dem Oren von jetzt und dem Mann, der am Freitagabend den Duschvorhang beiseitegerissen hatte, war der kahl rasierte, wie eine Billardkugel glänzende Schädel.
Er riss sie brutal herum, zerrte ihren Arm auf den Rücken und ließ die zweite Handschelle einrasten. Dann stieß er sie vorwärts und zwang sie, vor ihm her über den Anleger in Richtung Haus zu taumeln.
»Wer bist du?«
»Ich bin Oren, Dummchen, was glaubst du denn?«
»Aber du bist doch tot.«
»Falsch. Tote haben keinen Ständer so wie ich, nachdem ich deine steifen Nippel gesehen habe.«
»Stimmt, du musst Oren sein«, erklärte sie. »Denn diese kindische, geschmacklose Bemerkung ist typisch für dich.«
Ohne Vorwarnung rammte er ihr den Pistolenknauf gegen die Schläfe. Ein scharfer Schmerz fuhr durch ihren Schädel, während ihre Knie nachgaben und sie hart auf dem Boden aufschlug. Ihr drehte sich der Magen um. Galle stieg in ihrer Kehle auf. Sie spuckte sie aus, als der Schmerz sie nach Luft schnappen ließ. Er packte sie bei den Haaren und zerrte ihren Kopf nach hinten. Blut sickerte in ihr Auge.
»Siehst du, was du anrichtest?«, säuselte er. »Deine pampige Art hat dich überhaupt erst in diese Lage gebracht, Berry. Du bist selbst schuld.«
Er riss sie hoch. Schwankend stand sie da, halb blind vor Schmerzen und wegen des Blutes, das ihr in die Augen lief. Sie spürte, wie all der Hass und die Verachtung für ihn und seine Taten in ihr hochkochten. »Fick dich.«
Er lachte ungerührt. »Ficken? Kann sein. Ich habe mich noch nicht entschieden. Im Augenblick siehst du wie der leibhaftige Teufel aus. Nicht besonders verführerisch. Aber ich werde es mir überlegen. Versprochen. In der Zwischenzeit wird deine Mutter bestimmt gern einspringen. Und du darfst zusehen«, fügte er hinzu, als wäre ihm diese großartige Idee gerade erst in den Sinn gekommen. »Und dann darfst du zusehen, wie ich sie töte. Und dann, aber erst dann, Berry, werde ich mich mit dir befassen.«
»Er ist ein Zwilling!«
»Wie bitte?«
»Ein eineiiger Zwilling!«
Ski fuhr abrupt von seinem Schreibtischstuhl hoch.
Dodges Atem am anderen Ende der Leitung klang, als hätte er Heuballen gewuchtet. »Ich bin in das Pflegeheim gefahren, in dem seine Mutter untergebracht ist«, fuhr er schnaufend fort. »Die Schwester hat mir erzählt, Mrs Starks hätte Zwillinge. Zwei Jungs, die einander gleichen wie ein Ei dem anderen.«
»Verdammte Scheiße!«
»Das können Sie laut sagen. Der Kerl, den wir im Sumpf geschnappt haben, ist Orens Zwillingsbruder Carl. Darauf verwette ich meine Eier.«
»Mist!«
»Ich wusste doch, dass da irgendetwas nicht stimmt. Mir kam nur nicht, was.«
»Dieser Fall war von Anfang an merkwürdig. Der Oren, den Berry beschrieben hatte, wäre nie im Leben in die Sümpfe im Thicket gelaufen.«
»Jetzt ergibt alles einen Sinn. Das war gar nicht Oren.«
»Aber er hat sich das Ganze ausgedacht.«
»Das glaube ich auch.«
»Was bedeutet …«
»Dass er hinter Berry her ist.«
»Ich bin schon unterwegs.« Ski trat um seinen Schreibtisch herum. »Wo sind Sie jetzt?«
»Ich brettere gerade durch Houston. Ich bin so schnell da, wie es geht.«
Ski vergeudete keine Zeit mit langen Dankesfloskeln. Er legte auf und rief die anderen Deputys im Einsatzraum zu sich, während er die Festnetznummer von Carolines Haus wählte. Caroline hob ab.
»Caroline, Ski hier. Wo ist Berry?«
»Äh … ich weiß nicht, ich habe geschlafen. Ich …«
»Sie müssen Sie finden.«
»Sie meinte vorhin, sie würde vielleicht schwimmen gehen.«
»Wenn Sie draußen ist, holen Sie sie rein. Bleiben Sie im Haus und schalten Sie die Alarmanlage ein. Und halten Sie die Pistole in Reichweite.« Er legte die Hand über die Sprechmuschel. »Ihr haltet euch bereit, Jungs. Neue Entwicklung im Starks-Fall«, befahl er, ehe er sich wieder an Caroline wandte. Die war inzwischen hellwach und wollte wissen, was los war.
»Oren Starks ist noch
Weitere Kostenlose Bücher