Blindlings
Augen öffnete, sah ich, wie Cooke mich kalt betrachtete.
»Bringt ihn zu seinem Stuhl zurück«, befahl er kurz. Es hatte sich um einen reinen Racheakt gehandelt. Nachdem er erledigt war, konnte man wieder zur Tagesordnung übergehen.
Ich wurde auf einen Stuhl gesetzt und hob den Kopf, um zu Elin hinüberzublicken. Sie lehnte am Kamin, und die Tränen strömten ihr übers Gesicht. Dann trat Cooke zwischen uns, und ich konnte sie nicht mehr sehen. »Sie wissen zu viel, Stewart«, sagte er. »Deswegen müssen Sie sterben – das wissen Sie doch.« »Mir ist klar, daß Sie Ihr Bestes tun werden«, antwortete ich dumpf. Ich begriff jetzt, wieso Cooke im Hotelzimmer zusammengebrochen war. Ich merkte, daß ich nicht mehr klar denken konnte. Außerdem hatte ich solche Kopfschmerzen, daß ich kaum aus den Augen sehen konnte.
Eine Kugel im Körper hat diese Nebenwirkungen.
»Wer weiß über mich Bescheid - außer dem Mädchen?«
fragte Cooke.
»Niemand«, antwortete ich. »Was ist mit dem Mädchen?«
Er zuckte die Achseln. »Sie wird im selben Loch verscharrt werden.« Er wandte sich an Kennikin. »Vielleicht sagt er die Wahrheit. Er war auf der Flucht und hatte keine Gelegenheit, jemanden zu informieren.« »Vielleicht hat er einen Brief geschrieben«, überlegte Kennikin.
»Das ist ein Risiko, das ich auf mich nehmen muß. Ich glaube nicht, daß Taggart Verdacht geschöpft hat. Vielleicht ist er verärgert, weil ich aus seinem Blickfeld verschwunden bin.
Aber mehr nicht. Ich werden den braven Jungen mimen und mit der nächsten Maschine nach London zurückfliegen.« Er hob die verletzte Hand und grinste Kennikin leicht verkrampft an. »Und das hier werde ich Ihnen in die Schuhe schieben. Ich wurde verwundet, als ich versuchte, diesen Trottel hier zu retten.« Er trat mir gegen das Schienbein. »Was ist mit dem elektronischen Gerät?« »Was soll damit sein?«
Kennikin nahm sein Etui heraus und wählte sorgfältig eine Zigarette aus. »Es wäre ein Jammer, die Operation nicht wie geplant zu Ende zu führen. Stewartsen weiß, wo das Ding ist, und ich kann die Information aus ihm herausholen.«
»Ja, das könnten Sie«, meinte Cooke nachdenklich. Er blickte zu mir herab. »Wo ist es, Stewart?« »Da, wo Sie es nicht finden werden.« »Der Wagen wurde nicht durchsucht«, gab Kennikin zu bedenken. »Als wir Sie im Kofferraum fanden, war alles andere vergessen.« Er erteilte in barschem Ton Befehle, und seine zwei Männer verließen das Zimmer.
»Wenn es im Wagen ist, werden sie es finden.« Cooke schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß es dort ist.«
»Ich dachte auch nicht, daß Sie im Wagen sein würden«, entgegnete Kennikin boshaft. »Ich wäre nicht überrascht, wenn es doch dort wäre.«
»Vielleicht haben Sie recht.«Cookes Stimme verriet, daß er das keineswegs glaubte. Er beugte sich über mich. »Sie werden sterben, Stewart, verlassen Sie sich darauf. Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten umzukommen. Sagen Sie uns, wo das Päckchen ist, und Sie werden schnell und relativ schmerzlos sterben. Wenn nicht, liefere ich Sie Kennikin aus.«
Ich hielt den Mund fest verschlossen. Wenn ich ihn geöffnet hätte, so hätte ihm das Zittern meiner Unterlippe meine Furcht verraten.
Er trat beiseite. »Na gut. Sie können ihn haben, Kennikin.«
Ein gehässiger Unterton kam in seine Stimme. »Am besten schießen Sie ihn langsam in Fetzen. Das hat er mir nämlich angedroht.«
Kennikin trat vor mich hin, die Pistole in der Hand. »Na schön, Alan. Dann wären wir also endlich am Ziel. Wo ist das Radar-Gerät?«
Trotz des auf mich gerichteten Pistolenlaufs schnappte ich diese interessante Neuigkeit auf. Radar-Gerät. Ich verzog das Gesicht zu einem mühsamen Lächeln. »Haben Sie noch eine Zigarette, Vaslav?« Er erwiderte das Lächeln nicht. Seine Augen waren düster, und sein Mund bildete eine scharfe Linie.
Das Gesicht eines Henkers. »Für eine Henkersmahlzeit ist jetzt keine Zeit mehr - den Quatsch haben wir hinter uns.« Ich blickte an ihm vorbei. Elin stand da, vergessen und verlassen.
Ihr Gesicht hatte einen verzweifelten Ausdruck. Aber ihre Hand steckte im Anorak, schob sich dann langsam heraus und hielt etwas umklammert. Schlagartig kam mir zum Bewußtsein, daß sie noch die Pistole hatte!
Plötzlich war ich wie umgewandelt. Wenn alles verloren scheint und man dem Tod ins Auge sieht, droht man im Morast des Fatalismus zu versinken. Aber schon der leiseste Schimmer von Hoffnung läßt das Blut
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