Blindwütig: Roman
Waxx. »Denken Sie daran, während Sie einsteigen.«
Sobald er neben ihr saß, schlug ich die Tür zu. Dann steckte ich die Pistole ein und eilte zur anderen Seite des Wagens, wo Milo mit Lassie wartete.
Ich zog die Beifahrertür auf und hob den Jungen auf den Vordersitz. Lassie ließ sich problemlos auf seinen Schoß befördern.
Nachdem ich die Tür wieder geschlossen hatte, ging ich nach hinten. Dort hatte Penny unseren letzten Koffer abgestellt. Daneben stand der Sack mit Milos elektronischem Bastelzeug. Ich klappte die Hecktür auf und verstaute die Sachen.
Auf der Ladefläche lag bereits ein großer schwarzer Koffer mit Edelstahlschnallen. Das Ding sah äußerst interessant aus. Bestimmt enthielt es nicht bloß ein paar frische Hemden und Unterwäsche zum Wechseln, aber jetzt war keine Zeit, den Inhalt zu erforschen.
Wenige Sekunden später schwang ich mich auf den Fahrersitz. Der Schlüssel steckte, so dass ich ohne weiteres den Motor anlassen konnte.
Die breite Windschutzscheibe bot nicht nur eine ausgezeichnete Sicht, sondern verschaffte mir auch das Gefühl, weniger Autofahrer als Pilot zu sein und ein König der Landstraße sowieso.
Als wir nordwärts rollten, sagte Waxx: »Ihr seid alle schon genauso tot wie Rink und Shucker.«
»Maul halten, Arschloch!«, befahl Penny. Dabei hörte sie sich weder wie eine Kinderbuchautorin noch wie die Maus oder die Eule in ihrem neuem Werk an, sondern eher wie Joe Pesci, wenn er in einem Film wie Good Fellas einen jähzornigen Widerling spielte.
Milos Augen waren so groß und rund wie die besagter Eule, als er flüsterte: »Dad, hast du dieses Wort gehört?«
»Welches Wort meinst du?«, fragte ich unschuldig. »Maul oder halten?«
Titus Springs war eindeutig keine aufstrebende Weltstadt. Laut dem Ortsschild wohnten hier exakt fünfzehnhundert Seelen, aber das schloss wahrscheinlich allerhand Auswärtige ein, die vom rabiateren Teil der Einwohner entführt und im Keller eingesperrt worden waren, um dort als unkonventionelle Haustiere oder als Blutopfer zu dienen, wenn der Wettergott das nächste Mal zu lange keinen Regen schickte.
Weil der Ort als Zentrum für mehrere noch kleinere Käffer und vereinzelt auf dem Land lebende Leute diente, gab es mehr Einkaufsmöglichkeiten, als ich erwartet hatte. Dazu gehörte ein großer, keiner Kette angehörender Haushalts- und Eisenwarenladen, der so ziemlich alles anbot, was man hier in der Gegend brauchen konnte: Hufeisen, Nagelpistolen, elektrische
Viehstöcke, Brennscheren, Kalender mit spärlich bekleideten jungen Damen, die diverse Werkzeuge in der Hand hielten, sowie vierzig verschiedene Sorten Hämmer.
Außerdem konnte man Ketten in zahlreichen Ausführungen und Größen erwerben. Sie wurden als Meterware auf großen Rollen aufbewahrt. Ich ließ mir sechs Meter einer strapazierfähigen Qualität geben, dazu einen Bolzenschneider, acht Vorhängeschlösser, zu denen derselbe Schlüssel passte, eine Rolle breites Isolierband, eine Schere, eine Packung Putzlappen aus Baumwolle und eine Decke.
An der Kasse stand ein schlaksiger junger Mann mit einem Storchenhals, einem großen Adamsapfel, einem struppigen Bart, gelben Zähnen und Charles-Manson-Augen. Nachdem er alles eingetippt hatte, erkundigte er sich vor der Betätigung der Summentaste: »Wollen Sie dazu eigentlich nicht noch eine Flasche Chloroform?«
Ich starrte ihn einen Moment an, um dann zu fragen: »Was?«
Er kratzte sich mit langen, knochigen Fingern am Bart. »Damit sie handzahm ist, während Sie sie in Ketten legen.«
Diesmal war ich sprachlos.
Er lachte und wedelte mit der Hand. »Entschuldigung, Mister, nehmen Sie’s mir nicht krumm. Ich bin der Einzige in meiner Familie, der Humor hat. Wenn ich nicht aufpasse, zieht Onkel Frank mich von der Kasse ab und lässt mich wieder die Regale einräumen.«
»Ach so«, sagte ich und zwang mich zu grinsen. Sogar ein kurzes Lachen brachte ich zustande. »Jetzt weiß ich, was Sie meinen … Kette, Schlösser, Klebeband. Ziemlich lustig.«
Mein Gegenüber setzte wieder eine todernste Miene auf. »Also, wollen Sie jetzt das Chloroform oder nicht?«
Wenn ich darum gebeten hätte, dann hätte er wohl tatsächlich eine Flasche von dem Zeug unter der Ladentheke hervorgeholt.
Aber ich lachte noch einmal und sagte Nein, woraufhin er auf Endsumme tippte.
Die Fenster der alten Kirche waren mit Brettern verschalt. Aus den Rissen im Weg und den Stufen, die zum Eingang hinaufführten, wuchs Unkraut.
Der mit
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