Blindwütig: Roman
zu eigen gemacht habe. Man hat ihn mir nicht aufgezwungen. Ich habe nie geheiratet. Ich brauchte keinen Ehemann, um einen Sohn zu bekommen.«
Langsam ging sie auf uns zu, und je näher sie kam, desto nervöser wurde ich. Sie schien eher über den Boden zu gleiten als zu gehen, als wäre sie ein Roboter gewesen, keine echte Frau.
»Manche Menschen werden mit einem Namen geboren, der nicht zu ihnen passt. Deshalb habe ich den Namen Waxx gewählt, und ich fülle ihn aus, denn wenn etwas wächst, dann wird es glanzvoller und mächtiger.«
»Sie sind eine komische Frau«, sagte Milo mit kindlicher Direktheit.
»Was tut dieses schmutzige Tier in meinem Haus?«, fragte Zazu angeekelt.
Das nahm Milo ihr übel. »Lassie ist nicht schmutzig«, sagte er, »sondern genauso sauber wie Sie. Und sie kann Dinge tun, die Sie nie tun könnten!«
Lassie wiederum ließ sich nicht dazu herab, diese Vogelscheuche anzuknurren, sondern betrachtete sie mit hündischer Verachtung.
»Hüte deine Zunge, du Wicht. Du solltest wissen, mit wem du sprichst! Geboren wurde ich mit dem Namen Zazu Minor. Mein langer und beneidenswerter Eintrag im Who’s who berichtet von meinem Mitgefühl und meiner Barmherzigkeit. Aber was ich an wirklich Bedeutungsvollem getan habe, das habe ich als Zazu Waxx getan, und das ist mehr, als eine Nation
voller Dummköpfe, wie ihr es seid, je zu erreichen hoffen könnte.«
»Um welche Leistung handelt es sich denn?«, fragte Penny.
»Fünfzig Jahre lang habe ich der neuen Wissenschaft des Kulturdesigns den Weg bereitet. Ich habe die amerikanische Kultur und dadurch die der ganzen Welt bewusst geformt, durch geheime Propagandakampagnen, in die ich viele Milliarden Dollar gesteckt habe, aber auch - und wirkungsvoller - durch Techniken, die sonst in der Spionage und im Krieg angewendet werden.«
»Hört sich ganz so an, als wären Sie ziemlich beschäftigt«, kommentierte Penny.
»Oh, schrecklich beschäftigt, meine Liebe.«
»Bleiben Sie lieber stehen!«, sagte ich, als Zazu auf drei Meter an uns herangekommen war.
Sie gehorchte, machte jedoch den Eindruck, als könnte sie mit der in ihr gespeicherten Energie rasch wie eine Schlange zustoßen und diesen Abstand in einem Sekundenbruchteil überwinden.
»Milliarden Dollar«, sagte Milo. »Sind Sie denn so reich?«
Zazu Waxx blickte über ihre lange, gerade Nase auf den Jungen, so wie ein Vogel einen Käfer betrachtet, bevor er ihn frisst. »Ich verfüge über die unbegrenzten Mittel des Finanzministeriums«, sagte sie.
»Klingt besser als mein Taschengeld.«
»Und im Gegensatz zu unseren törichten und unfähigen Geheimdiensten habe ich unser Budget all die Jahre ausschließlich in Form schwarzer Kassen geführt.«
Sie war eindeutig stolz auf ihre Leistungen, um nicht zu sagen arrogant oder gar größenwahnsinnig. Allerdings hatte ich nicht den Eindruck, sie hätte uns dies alles erzählt, wenn sie erwartet hätte, dass wir das Haus lebend verließen.
In dem Raum jenseits des Meditationssaals flammte Licht auf, und wenig später kam durch die Tür gegenüber das Maserati-Monster. Ohne uns wahrzunehmen, murmelte es vor sich hin und rieb sorgenvoll die breiten Hände aneinander. Es war etwa so groß und so gebaut wie Shearman Waxx, watschelte jedoch eher, als dass es gegangen wäre; außerdem war es bucklig.
Ohne den Regen, der seine Gesichtszüge verzerrt hatte, kam es mir nun weniger monströs als tragisch vor. Sein Murmeln wurde hörbar und ließ erkennen, dass es von einem gequälten Geist stammte. »Fass sie nicht an, fass sie nicht an, die hübschen Dinge, du machst sie nur kaputt, du dummer Junge, du täppischer Junge, fass die hübschen Dinge nur nicht an.«
»Du!«, sagte Zazu scharf.
Der Mann blieb stehen und hob den Kopf. Sein fürchterliches Gesicht war nun voll Furcht, die auch in seinen abgrundtiefen Augen lag.
»Was hast du denn jetzt wieder kaputt gemacht?«, fragte sie.
Sein Mund bewegte sich, doch kein einziges Wort kam heraus. Dann löste er sich endlich von dem magnetischen Bann, mit dem Zazu seine Aufmerksamkeit auf sich zog wie ein schwarzes Loch, und bemerkte uns. »Zazu, die gehören hier nicht her, nein, das tun sie nicht, das tun sie nicht!« Er rang die Hände. »Was ist geschehen? Was ist los?«
Die raue Stimme war die des brutalen Mörders, der John Clitherow die Kehle aufgeschlitzt und sich mir am Telefon als Bruder aller Menschen offenbart hatte.
Offenbar handelte es sich um ein Wesen mit zwei gegensätzlichen
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