Blitz: Die Chroniken von Hara 2
starb … Ein erstaunlicher Fund. Was siehst du mich so an, mein Junge? Du möchtest diese Stücke wohl zu gern haben?«
»Und ich bringe sie auch wieder an mich«, antwortete Shen, wobei er versuchte, seinen Zorn auf die Verdammte zu unterdrücken.
»Hier! Fang!«
Lepra warf ihm das Messer zu. Obwohl Shen nicht damit gerechnet hatte, fing er die Klinge geschickt auf, starrte sie dann aber bloß grimmig an.
»Und? Was beabsichtigst du jetzt zu tun?«, fragte Lepra, den Blick auf Shen gerichtet, als wäre er ein possierliches Tierchen. »Was unternimmst du, mein Junge? Wenn du dieses Artefakt in Händen hältst. Fühlst du dich jetzt allmächtig?«
»Nein«, räumte Shen widerwillig ein.
»Also bist du kein hoffnungsloser Fall«, stichelte Lepra. »Möchtest du mich angreifen? O ja, das möchtest du, das lese ich in deinen Augen. Sie funkeln sehr wütend, mein Junge. Fließt in deinen Adern womöglich das Blut eines Nordländers? Also, worauf wartest du noch? Dich trennen nur fünf Schritte von mir. Du bist jung, ich werde es sicher nicht schaffen zu fliehen. Scheust du das Risiko?«
»Das spielt keine Rolle«, antwortete Shen und gab dem Messer einen Stoß, worauf es über den Tisch glitt und in Lepras Händen landete. »Aber ich werde Euch nicht angreifen.«
»Das ist deine freie Entscheidung«, erwiderte sie. Ihrem Gesicht war nicht abzulesen, ob sie diese Wendung begrüßte oder nicht. Sie steckte alle Artefakte in die Tasche zurück und verstaute diese wieder in der Schublade.
»Was wäre geschehen, wenn ich Euch angegriffen hätte?«, fragte Shen.
»Wer vermag das schon zu sagen?«, erwiderte die Hexe. »Vermutlich hättest du eine alte Frau ermordet. Vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall werde ich das Messer kein zweites Mal aus dem Schrank holen. Was ist mit dir, du Raufbold?«
»Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Herrin«, sagte ich.
»Du hattest die einmalige Möglichkeit, mich zu töten, aber auch du hast sie nicht genutzt. Warum hast du nicht geschossen? Hattest du Angst?«
»Nein. Aber ich bin ein vorsichtiger Mann. Ich glaube nicht, dass es mir möglich gewesen wäre, Euch zu töten und danach zu entkommen.«
»Hat man Töne!«, rief Lepra kichernd. »Ein Raufbold mit Verstand. So etwas ist selten, darauf darfst du dir etwas einbilden, mein Junge. Ich bin wirklich froh, dass Hamsy dich nicht umgebracht hat. Du stellst eine vorzügliche Ergänzung zu diesen beiden dar, auch wenn du nicht über die Gabe gebietest. Doch damit möchte ich mich wieder deinen beiden Gefährten zuwenden, wenn du gestattest. Das heißt, eine Sache sollten wir vorab noch erledigen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde schienen meine Schläfen zu bersten, danach lag eine matte Kugel von der Größe eines Fingernagels in Lepras Hand. Sie schloss die Hand zur Faust, und ein Staubkörnchen segelte zu Boden. »Das dürfte es gewesen sein«, stellte sie zufrieden fest.
»Was war das?«, fragte Lahen aufgebracht. »Was habt Ihr mit ihm gemacht?«
»Beruhige dich, meine Liebe. Und sei nicht so misstrauisch, das gehört sich nicht. Sieh dir deinen Herzliebsten doch nur an, es fehlt ihm nichts. Von Zeit zu Zeit gönne ich mir das Vergnügen einer guten Tat. In seinem Fall habe ich ihn von einem kleinen Zauber befreit. Genauer gesagt, von einer Markierung, die Thia an ihm angebracht hatte. Jetzt wird sie ihn wohl nie mehr finden. Oder nur rein zufällig.«
»Wollt Ihr damit sagen …«
»Ganz genau. Thia hat ihn an der Leine laufen lassen. Recht erfolgreich, würde ich sagen.«
Damit war auch klar, wie uns Typhus entdeckt hatte, nachdem wir Hundsgras verlassen hatten. Sie wusste die ganze Zeit über sehr genau, wo ich mich befand.
»Aber sie waren im Turm«, mischte sich Shen ein. »Die Mutter …«
»Verzeih mir, mein Junge, aber du hegst eine allzu hohe Meinung von der heutigen Mutter. Und auch von ihren Vorgängerinnen. Aber ihrer aller Verstand dürfte kaum ausreichen, mehr als ihre eigenen Ambitionen zu erkennen. Die Schreitenden von heute lernen es nicht mehr, Schattenzauber zu spüren. Oder nehmen wir dich. Du bist ein talentierter Bursche und bereitest uns eine Überraschung nach der anderen. Du hast Hamsy ordentlich zugesetzt.« Sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Ja, es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte einen meiner liebsten Helfer verloren. Aber diesen Kummer hast du mir zum Glück erspart. Denn ohne Hamsy würden mir gleichsam die Hände fehlen. Trotzdem bleibt erstaunlich, was du in
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