Blitz kehrt heim
„Spielend leicht, als wenn es gar nichts wäre!“ murmelte er, den Kopf schüttelnd.
Im Hafen von Natal ging dann alles ebenso vor sich wie in Port of Spain.
Die folgenden Tage schienen allen Passagieren, außer Alec und Henry, einförmig. Beide genossen den Schauder, zum erstenmal im Leben den gewaltigen Atlantischen Ozean zu überfliegen. Der erste afrikanische Landehafen war Fish Lake in Liberia; danach ging es bis Lagos in Nigeria, von dort nach Leopoldville, tief im Herzen von Belgisch-Kongo, und am folgenden Tag flogen sie zu ihrem Bestimmungsort: Aden in Arabien.
Während des Fluges über die kahle afrikanische Steppe eilten ihre Gedanken schon voraus. Von Aden nach Haribwan, das genau im Südwesten der Großen Arabischen Wüste gelegen war, würden sie mit der Bahn fahren. Dort würde sie Volences Freund in Empfang nehmen, der ihnen für den Marsch durch die Wüste einen Führer mit einer Karawane beschaffen wollte.
Am späten Nachmittag tippte der Steward Alec auf die Schulter. „Dort ist Bab el Mandeb!“ machte er ihn aufmerksam. „Nun ist es für uns nur noch ein kurzer Sprung nach Arabien; wir werden Aden in einer knappen halben Stunde erreichen.“
„Sind wir die einzigen, die dort aussteigen?“ fragte Alec.
„Im Gegenteil, Aden ist der Bestimmungsort für alle! Morgen nehmen wir neue Passagiere auf für den Rückflug nach Amerika, der über Kairo und dann entlang der Nordküste von Afrika führt. Klappt alles fahrplanmäßig, sind wir in sechs Tagen wieder in New York.“
Gleich nach diesem Gespräch überflogen sie die Straße von Bab el Mandeb. „Sie verbindet das Rote Meer mit dem Golf von Aden“, belehrte Alec seinen Freund Henry nicht ohne Stolz darüber, wie gut er Bescheid wußte, denn er war schon zweimal mit dem Schiff hindurchgefahren, als er seinen Onkel Ralph in Indien besucht hatte. Als Alec an die ,Drake‘ dachte, die dann auf seiner Heimreise untergegangen war, wurde er traurig. Der nette Kapitän und fast die ganze Besatzung waren ertrunken; nur er und wenige andre von der Mannschaft und den Passagieren waren mit dem Leben davongekommen! Als sie damals Aden anliefen, hatte keiner etwas geahnt von dem furchtbaren Schicksal.
Jetzt waren die weißen Häuser der Stadt bereits zu erkennen.
Alecs Blicke wandten sich nordwärts, denn dies würde die Richtung sein, die ihre Karawane einschlagen mußte.
Langsam ging das Flugzeug im Hafen nieder. „So, da wären wir!“ murmelte Henry.
Volence blinzelte Alec zu. „Es ist erst der Anfang, Henry, und wir wollen hier in Aden so wenig Zeit wie möglich verlieren. Ich werde versuchen, den ersten Zug, der uns nach Haribwan bringen kann, ausfindig zu machen. Nachdem ich so lange Zeit stillsitzen mußte, bin ich begierig wie ein Jagdhund, die Spur aufzunehmen!“
„Die Spur von Blitz!“ setzte Alec hinzu. „Ich bin sicher, wir werden ihn finden!“
„Ich wünschte, ich könnte deinen jugendlichen Optimismus teilen!“ sagte Volence. „Immerhin, es mag gehen, wie es will — wir werden Arabien nicht wieder verlassen, bevor wir alles getan haben, was wir können!“ Nachdem sie den Zoll passiert hatten, wartete Volence mit seinen beiden Begleitern auf ein Taxi, das sie zum Hotel fahren sollte. Sie sahen Ibn al Khaldun herauskommen und auf eine große schwarze Limousine zuschreiten. Er trug einen weißen Anzug und ein weißes, am Hals offenes Hemd. Sein haarloser Schädel war unbedeckt. Er blieb stehen, zog ein weißseidenes Taschentuch heraus und tupfte sich den Schweiß vom Gesicht. Dabei fiel sein Blick auf die drei Amerikaner, und er kam langsam auf sie zu.
„Was mag er von uns wollen?“ flüsterte Alec.
„Wahrscheinlich wird er sich verabschieden“, mutmaßte Henry.
Ibn blieb vor ihnen stehen, aber er sagte nichts. Endlich brach Volence das Schweigen und fragte höflich: „Sind Sie hier in Aden zu Hause, Herr Khaldun?“ Der Blick des Arabers ging von Alec zu Volence. Es dauerte einige Sekunden, ehe er antwortete: „Nein. Meine Heimat liegt, von hier aus gesehen, nördlich.“ Alec fragte schnell: „Nahe der Großen Wüste?“ Khalduns Mäuseaugen gingen zu Alec zurück. Ein hämisches Lächeln stand um seinen Mund, als er nickte.
Volence und Henry sahen unwillkürlich ihren jungen Freund an, weil sie sich denken konnten, was jetzt kommen würde. Und richtig, die Frage sprudelte heraus: „Haben Sie da nicht einmal von einem großen Beduinenscheich gehört, der Abu Jakub ben Isaak heißt?“
Ibn al Khaldun
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