Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Wolle und Seide auszuziehen, vorsichtig zusammenzulegen und im Trolley zu verstauen, ein
Kleid aus Kunstfasern überzustreifen, den Reißverschluss im Rücken unter Verrenkungen zu schließen und ein Halstuch umzuknoten,
das aus einem Grund, den niemand auch nur ansatzweise begreift, immer noch zur Uniform gehörte. Die farblich passende Jacke
aus Kunstfasern war zwar genauso hässlich, wie sie billig war, kam mir in dem Moment aber gerade recht, weil sie etwas wärmte.
Dann musste ich noch die Schuhe tauschen, denn mehr als sieben Zentimeter Absatzhöhe gehören laut Berufsgenossenschaft zu
den vermeidbaren Gefährdungen am Arbeitsplatz. Im Laufschritt ging es wieder aus dem Waschraum heraus und mit Maike und Jasmin
im Gleichschritt, mit wiegenden Hüften und hoch erhobenen Häuptern an den Touristen vorbei, durch die Halle, zur Sicherheitskontrolle
und durch das noch geschlossene Gate zu unserem leeren Flieger, den wir für den Rückflug nach Deutschland übernahmen.
Die Cabin Crew war damit vollzählig an Bord.
Es folgten die üblichen Handgriffe vor dem Boarding, das freundliche Lächeln, mit dem die Gäste an Bord begrüßt werden, der
prüfende Blick auf das, was in den folgenden fünfundsiebzig Minuten auf uns zukommen würde. Als endlich alle saßen, kam der
erste Rundgang, Kontrollblick zum Sicherheitsgurt, die ersten anzüglichen Bemerkungen perlten an uns ab. Zwei Säuglinge an
Bord, mindestens einer würde bald schreien. Wenige Reisende in Anzügen, die Mehrzahl in sogenannter Freizeitkleidung, die
jeglichen Geschmack vermissen ließ. Seit selbst renommierte Fluggesellschaften Billigflüge verramschten, wurde es immer schwieriger,
den Kegelclubs zu entkommen, die in Scharen den europäischen Luftraum bevölkerten.
Schon im Steigflug spürte ich dann das Kratzen im Hals, auf Reiseflughöhe war die Nase verstopft, und im Sinkflug zog und
zwickte es in den Ohren. Gut, dass Bordapotheken vollständig ausgestattet sind: Schmerzmittel, Erkältungsmittel, Mittel gegen
Fieber, Halspastillen, Nasenspray und eine Handvoll Vitaminbonbons schienen mir eine angemessene Reaktion auf den Beginn eines
Infektes, der sich kaum zu einem unpassenderen Zeitpunkt hätte ankündigen können. Zur Sicherheit, um wirklich alles Menschenmögliche
getan zu haben, warf ich noch zwei Allergietabletten ein. Einen Arzt ausrufen zu lassen, damit er mir das ebenfalls vorhandene
Antibiotikum verschrieb, hielt ich dann doch für übertrieben.
Eine drastische Fehleinschätzung.
»Auf Wiedersehen und gute Heimfahrt. Auf Wiedersehen, gute Heimfahrt. Aufwiedersehen guteheimfahrtaufwiedersehenguteheimfahrtwiedersehen …« Endlich hatteauch der letzte Passagier sein Handgepäck zusammengesucht und das Flugzeug verlassen.
»Na, freust du dich denn schon auf das nächste Wochenende?«, fragte Jasmin, während wir in unserer gewohnten Formation durch
die Halle stöckelten: Maike vorneweg, Jasmin und ich jeweils einen Schritt hinter ihr, rechts und links leicht versetzt. Eine
perfekte Formation, die sich ihren Weg auch durch größere Menschenmengen bahnen konnte. Das lag in erster Linie an Maikes
imposanter Erscheinung. Sie ist die Personifizierung dessen, wovon Fluggesellschaften träumen, wenn sie Stellen für Flugbegleiterinnen
ausschreiben. Ein skandinavischer, athletischer Typ, groß gewachsen, gut gebaut, das blonde Haar lang genug, um es in einem
perfekten Knoten am Hinterkopf zu tragen. Ihr Gesicht ist nicht sehr fein geschnitten, aber durchaus schön, wenn man den etwas
herben, nordischen Stil mag. Dazu passt ihre entschlossene Miene, die sie immer aufsetzt, wenn sie ihre kleine Schar treuer
Gefährtinnen durch die Ankunftshalle schleust.
Maike ist immer perfekt geschminkt, denn sie hat sich vor Jahren für ein Permanent-Make-up entschieden, das sie nur noch durch
ein Lipgloss ergänzen muss. Sie hätte Karriere als Model oder Schauspielerin machen können, aber sie zog eine frühe Hochzeit
und zwei Kinder vor. Mit ihren mittlerweile fünfunddreißig Jahren gehört Maike zu eben jenen Heidis und Ursulas dieser Welt,
die normale Menschen mit ihrer Zielstrebigkeit und Konsequenz das Fürchten lehren. Maikes zweiter Vorname müsste daher nicht
Veronika, sondern Effizienz lauten, weshalb wir sie gelegentlich liebevoll Evi nennen. Sie erträgt diesen Spitznamen wie alles
im Leben: mit unerschütterlicher Fassung.
Jasmin bildet rein äußerlich die Mitte
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