Blond und gefährlich
Torhüter eingeredet hatte. »Sie können ja mit
ihm reden, wenn ich weg bin. Eine gegenseitige Verschwörung des
Stillschweigens, weil Sie Ihren Onkel ebensowenig ängstigen wollen wie er seinen Boss.«
»Das macht keine
Schwierigkeiten«, sagte sie zuversichtlich. »Ich werde es regeln.«
»Leben Sie wohl, Anna.«
»Adieu, Lieutenant.« Ihre Augen
trübten sich. »Wir sehen uns wohl nicht wieder?«
»Jedenfalls vorläufig nicht.«
»Alles geht fort«, murmelte
sie. »Glenn kann nie mehr zurückkommen, und ich kann keinen geheimen Träumen
mehr nachhängen.«
»Ich würde jetzt eine Platitüde riskieren«, sagte ich, »aber ich erinnere mich zu
gut daran, was beim letztenmal passiert ist.« Ich
stieg in den Wagen, ließ den Motor an und schob den ersten Gang ein.
»He«, rief sie plötzlich,
»schreiben Sie mir, wenn Ihnen je eine Platitüde auf
Orgasmus einfällt. — Versprechen Sie’s!«
NEUNTES KAPITEL
E s war Viertel nach sechs, als
ich in meine Wohnung kam und geradewegs zur Küche strebte. Ich kostete eben den
ersten Mundvoll Scotch, als das Telefon zu klingeln begann. Zum Teufel damit!
sagte ich mir und kostete den zweiten Mundvoll Scotch. Aber dann kamen mir alle
möglicherweise verpaßten Gelegenheiten in den Sinn.
Angenommen, es war der Mörder, der sich mir stellen wollte? Oder Judson Hillbrand , der mich anflehte, die Präsidentschaft über
seine Feinmechanik-Gesellschaft zu übernehmen? Oder die Organisatoren des
Miss-Welt-Schönheitswettbewerbs, die mich baten, als Chaperon über all die
Mädchen zu wachen? Ich brach mir in meinem Eifer, zum Telefon zu gelangen,
bevor es zu klingeln aufhörte, beinahe ein Bein.
»Wheeler«, sagte ich ruhig.
»Lavers«, grollte die Stimme
des Sheriffs in mein Ohr, meine Phantasiewelt zu Konfetti zerfetzend. »Ein
Streifenwagen hat gerade oben an der Old Canyon Road eine Leiche gefunden.«
»In der Nähe von Thorpes Haus?«
»Am anderen Ende«, brummte er.
»Vielleicht hundert Meter vor der Kreuzung. Ich werde den Coroner und die übrigen
auf Trab bringen. Aber Sie müssen schnell dorthin fahren — das könnte die
Chance sein, nach der wir suchen.«
»Fette Chance«, sagte ich.
»Wie nennen Sie mich?« brüllte
er.
»Ich habe nichts gesagt.«
»Ich habe deutlich gehört, wie
Sie mich eine fette Irgendwas bezeichnet haben.«
»Soll ich vielleicht
hierbleiben, um mir Bezeichnungen für Sie auszudenken?« fragte ich geduldig.
»Oder soll ich wegfahren und mir die Leiche ansehen?«
Am anderen Ende der Leitung
ertönte ein ersticktes Grunzen; und gleich darauf wurde der Hörer aufgeknallt.
Ich
legte auf, trank schnell das Glas Scotch leer und strebte dann zur Wohnungstür.
Manchmal frage ich mich wirklich, warum, zum Teufel, ich das Ding eigentlich
als mein Heim bezeichne.
Die Sonne glitt soeben über die
Spitze des Bald Mountain, als ich den Healey hinter dem Streifenwagen zum
Halten brachte; aber schätzungsweise blieb das Tageslicht noch für eine gute
halbe Stunde brauchbar. Einer der Streifenbeamten kam, als ich ausstieg, mit
ausgesprochen erfreutem Gesicht herbei.
»Wir hatten Glück, Lieutenant«,
sagte er und strahlte mich an. »Wir hielten hier nur, weil Charlie mal... Na,
Sie wissen schon. Und wie er anfängt, zwischen den Bäumen hindurchzugehen,
fällt er beinahe über die Leiche.«
»Tolles Glück!« knurrte ich. »Ich
war gerade im Begriff, mir einen Drink zu genehmigen und ein bißchen zu
entspannen, als der Sheriff anrief.«
»Das tut mir leid, Lieutenant.«
Er versuchte verzweifelt, das entzückte Grinsen von seinem Gesicht zu
verbannen, was ihm hoffnungslos mißlang. »Wollen Sie sich ihn mal ansehen?«
»Glauben Sie vielleicht, ich
bin den ganzen Weg hierhergefahren, nur um ein bißchen freundschaftlich mit
Ihnen zu plaudern?« fragte ich mordlustig.
Der Tote lag nur ungefähr zehn
Meter von der Straße entfernt im dichten Unterholz, und zwar ausgestreckt auf
dem Rücken, Arme und Beine gespreizt. Ich kauerte mich nieder, um ihn genauer
anzusehen. Ein Bursche um die Fünfunddreißig herum, schwarzes Haar, das in die
Stirn wucherte, und ein dichter schwarzer Schnurrbart. Beide Augen waren
geschlossen; und ich erlebte einen häßlichen Moment, als ich mir einbildete,
das eine Lid zucken zu sehen. Dann, mit einem plötzlichen Gefühl der Übelkeit,
wurde mir bewußt, daß die Leiche bereits allzulange der heißen Sonne ausgesetzt gewesen war. Das Geschoß war unter seinem Kinn
eingedrungen und oben am Kopf wieder
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