Blondine ehrenhalber
erwartet?«
»Eigentlich habe ich etwas unsäglich Langweiliges erwartet, wie zum Beispiel ein Café zu führen. Liebesgeschichten sind nicht mein Fachgebiet.«
Amanda unternahm einen Versuch, Frieden zu schließen. »Lasst es gut sein, ihr zwei. Wir wollen alle dasselbe und wir schaffen es. Seht euch Walter an und die vielen Gäste. Es wird uns gelingen.«
»Ich bin mir immer noch nicht ganz darüber im Klaren, warum Amanda unbedingt als Mörderin hingestellt werden muss«, sagte Frank zu Clarissa.
»Bitte, Frank«, bat Amanda. »Kann nicht einmal jemand anderes Recht haben? Kann nicht einmal jemand anderes wichtige Entscheidungen treffen? Clarissa weiß, was sie tut. Ich vertraue ihr völlig.«
Amanda wusste, dass sie mit Clarissas Verteidigung Frank gegen sich aufbringen würde. Aber sie fühlte, dass sie es tun musste. Die beiden Frauen würden sich sonst womöglich nicht mehr auf das konzentrieren, was wirklich wichtig war. Amanda war — wenn es überhaupt eines gab — das Opfer von Clarissas Plan. Ihr Bild prangte auf der Titelseite der Zeitung. Wenn sie sich nicht darüber aufregte, warum sollte es dann Frank tun? Vielleicht sollte Amanda ja aus dem Weg geräumt werden? Nein, sie verscheuchte den Gedanken aus ihrem Kopf. Es gelang ihr nicht, sich Ärger einzureden, wenn sie nicht wirklich welchen verspürte. Und warum sollte sie auch? Hass, selbst wenn er gerechtfertigt war, fraß nur die Seele auf.
»Einen Tag lang ein gutes Geschäft zu machen ist noch keine Kehrtwendung«, sagte Frank, »aber ein Fortschritt.« Dann rang sie sich eine Entscheidung ab. »Keine Wettbewerbe mehr in der nächsten Zeit. Warten wir ab, wie sich die Dinge im Lauf der nächsten Wochen entwickeln. Jeden Freitag einen neuen Preisträger ist sowieso zu viel. Das wird den Leuten schnell langweilig.«
»Vielleicht ist Abwarten gar keine schlechte Idee«, sagte Clarissa diplomatisch. »Mein Plan ging sowieso von großem Tamtam aus, eben dem Gegenteil von Langeweile.«
Dann suchten Frank und Clarissa entgegengesetzte Ecken des Cafés auf: Frank half Matt, frischen Kaffee aufzubrühen, da sie es ablehnte, den Kaffee länger als eine halbe Stunde stehen zu lassen, während Clarissa von Tisch zu Tisch ging und den Gästen das Gefühl vermittelte, willkommen zu sein. Ihre Schönheit — so beobachtete Amanda — machte andere Frauen nicht neidisch, vielmehr lösten ihre Grazie und ihr Stil Bewunderung aus, nicht etwa Kritik. Ihre Bewegungen waren so fließend und weich wie ihre Flanellhose.
Amanda wusste nicht, mit wem sie als Nächstes sprechen sollte. Half sie Frank, fühlte sich vielleicht Clarissa verraten. Wenn sie aber Clarissa hinterherlief, würde Frank eine Verschwörung gegen sich befürchten. Sie wünschte, sie könnte die Zeit zurückdrehen: Es lag gerade einmal 24 Stunden zurück, da verband Frank und Clarissa noch eine gut im Wachsen begriffene arbeitsbedingte Beziehung, und Amanda hatte einen Mann kennen gelernt, mit dem sie eine ausbaufähige Beziehung verband. Jetzt hatten die beiden Verbündeten eine Mauer zwischen sich aufgebaut, und sie war — romantisch ausgedrückt — so allein wie eh und je. Die plötzliche Last der Verzweiflung drückte schwer auf Amandas zarte Schultern.
»Ich gehe kurz weg.« Sie verabschiedete sich von beiden, zog ihren engen Mantel über den schwarzen Rolli und die schwarze stiefelfreundliche Hose, die sie Wunderhose nannte, und ging nach draußen. Zum ersten Mal nach langer Zeit beschloss sie, sich einen Nachmittagsdrink zu genehmigen. Ihr Freund und Barkeeper, Paul McCartney, würde sie aufmuntern, dazu hatte er Talent. Und sie konnte ihm beweisen, dass sie ihn nicht für selbst gebastelte Zitate in der Zeitung verantwortlich machte.
Amanda ging Richtung Heights Café. Unterwegs auf der Straße gafften die Leute sie an. Zwei alte Damen wären fast auf dem Pflaster gestolpert, als sie ihr aus dem Weg gehen wollten. Zuerst dachte sie, sie würde sich das nur einbilden, aber wohin sie auch schaute, die Leute deuteten auf sie und flüchteten vor ihr. Sie hinterließ eine breite Schneise auf dem Gehsteig der Montague Street. Amanda wischte sich nervös über Gesicht und Kleidung. Eine Sache hatte sie bei den Enthüllungen der Post nicht bedacht — sie war dadurch entblößt.
Sie atmete tief ein und aus. Nur noch zwei Häuserblocks trennten sie von einem freundlichen Gesicht. Amanda fragte sich, was Paul dem Journalisten wohl tatsächlich erzählt hatte. An der Ampel an der Hicks
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