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Blondine ehrenhalber

Blondine ehrenhalber

Titel: Blondine ehrenhalber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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worden.
    Amanda wusste, dass Paul in der Grace Court Alley wohnte, in einem der wenigen Wohnblocks von Brooklyn Heights, wo Stadt- oder Brownstone-Häuser aus der Vorkriegszeit die Regel waren. Das Gebäude, das deutlich vom Stil der fünfziger Jahre geprägt war, war das letzte in der Sackgasse. Er hatte ihr gesagt, seine Wohnung ginge auf den East River hinaus, diese trübe Wassermasse, die Brooklyn und Manhattan Island voneinander trennte. Das Haus hatte einen quadratischen Grundriss, fünf Stockwerke und einen Hof in der Mitte. Amanda war schon einmal an dem Gebäude vorbeigelaufen, aber sie hatte es noch nie betreten. Sie wusste nicht genau, in welchem Stock er wohnte, nicht einmal in welchem Flügel, aber sie war wild entschlossen, herauszufinden, was sich zwischen Paul und Todd abgespielt hatte. Sollte sein Job in Gefahr sein, würde sie für ihn tun, was sie konnte. Pauls Ehe stand auf wackligen Beinen. Sollte er arbeitslos werden, so würde das sicher seine Situation nur noch verschlimmern.
    Zum Glück hatte sie niemand auf dem kurzen Weg zur Grace Court Alley terrorisiert. Am Eingang von Pauls Haus ging Amanda auf eine alte Dame in einem Hermelinmantel zu, die einen Pitbull an einer Lederleine spazieren führte. »Entschuldigen Sie, Ma’am«, sagte sie. »Ich suche Paul McCartney.«
    »Probieren Sie es in Liverpool.«
    Amanda folgte ihr in die Eingangshalle. Kein Hausmeister in Sicht. Keine Wohnungs-Wegweiser. Sie schloss die Augen und versuchte, sich eine Tür mit einer Nummer darauf vorzustellen. Pauls Wohnungstür, hinter der er mit seiner Frau und den beiden Töchtern wohnte. Die Tür. Sie war rot. Mit einer goldenen Türklinke. Und die Nummer an der Tür lautete... Das war lächerlich. Damit erreichte Amanda nichts. Wie sehr wünschte sie sich in diesem Moment, übersinnliche Fähigkeiten zu besitzen. Instinkt war gut und schön. Aber wenn sie Visionen hätte, in die Zukunft sehen könnte. Das wäre etwas. Amanda würde freilich ihre Fähigkeiten nur positiv einsetzen. Sie würde Menschen helfen. Sie würde... Ein Räuspern in ihrem Rücken holte sie in die traurige Realität zurück.
    Sie drehte sich um und stand einer nett aussehenden, aschblonden Frau gegenüber, die einen dicken Daunenmantel trug, einen gerippten lila Rolli und schwarze Leggings. Amanda hatte seit 1997, dem Jahr der Hose, keine Frau mehr Leggings in der Öffentlichkeit tragen sehen. Neben der Frau standen zwei kleine Mädchen und ein Jack Russell. Das ältere Mädchen — sie mochte fünf Jahre alt sein — starrte Amanda an und hielt dabei die Hand der Mutter umklammert. Sie wirkte sehr ernst, eine alte Seele in einem jungen, kleinen Körper. Die Art, wie sie den Kopf hielt und unter halbgeschlossenen Lidern zu Amanda aufschaute, ließ sie weiser und müder aussehen, als sie es vom Alter her sein konnte.
    »Du siehst genau wie auf dem Foto aus«, sagte die Frau. Ihre Stimme klang verklebt, als hätte sie gerade eine größere Menge Honig gegessen.
    »Du musst Sylvia sein«, sagte Amanda zu Pauls Frau. »Ich habe so viel von dir gehört. Schön, dich endlich kennen zu lernen.« Sie bückte sich, um die Mädchen zu begrüßen. Um das Gesicht des jüngeren Mädchens — sie war zirka drei Jahre alt — kringelten sich goldene Korkenzieherlöckchen.
    Das Kind kicherte und sagte: »Du bist hübsch.«
    »Du auch«, gab Amanda zurück. Sie drehte sich zu der älteren, ernst dreinblickenden Schwester und wollte gerade sagen: »Und du auch«, als die Kleine sie unterbrach.
    »Mami, komm, lass uns gehen«, quengelte sie. Offensichtlich hatte sie keine Lust auf leeres Geschwätz. Ebenso wenig wie ihre Mutter.
    »Ich muss gehen«, sagte Sylvia und zog an der Leine.
    Amanda war nicht in die Wohnung gebeten worden. »Ich bin vorbeigekommen, um Paul zu besuchen«, sagte sie schnell. »Ich muss mit ihm reden.« Sie hielt inne, da Sylvia prüfend ihren Mantel ansah, beziehungsweise das, was darunter steckte. »Könnte ich vielleicht eine Minute mit hinaufkommen?«, bat sie.
    »Kinder, warum holt ihr nicht schon einmal den Aufzug für eure Mami«, sagte sie zu den Mädchen. Die Dreijährige rannte sofort los und nahm den Hund mit, während die Ältere die Hand der Mutter nicht loslassen wollte. Aber Sylvia bestand darauf. Sobald die beiden Frauen allein waren, sagte Sylvia: »Ich will nicht, dass du Paul triffst. Nie mehr. Lass meinen Mann in Ruhe. Du bist der Grund, warum unsere Ehe in der Krise steckt.«
    »Bitte?« Amanda war

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