Blood Shot
irgendein Ding gedreht hatte. Seinem Ausdruck nach zu schließen, ein höchst faules Ding. Aber ich wußte nicht, was es war. Ich mußte es schnell herausfinden, bevor sich alle, die sauer auf mich waren, zusammentaten und mich ein für allemal ins Jenseits beförderten.
Der Berufsverkehr verstopfte bereits die Straßen. Humboldts drohende Stimme vom Vormittag hallte mir noch in den Ohren. Vorsichtig fuhr ich durch die Februardämmerung, vergewisserte mich mehrmals, daß ich nicht verfolgt wurde. Ich machte einen Umweg, bis ich hundertprozentig sicher war, daß sich niemand an meine Fersen geheftet hatte, und fuhr dann zu Lottys Wohnung.
Daß ich vor ihr dort eintraf, überraschte mich nicht. Für die arbeitenden Mütter war ihre Praxis fast jeden Abend bis sechs Uhr geöffnet. Als kleine Gegenleistung für ihre Gastfreundschaft kaufte ich ein und versuchte mich mal wieder an einem Huhn mit Knoblauch und Oliven. Zudem hoffte ich, daß durch die Konzentration aufs Kochen in meinem Unterbewußtsein jede Menge Ideen reifen würden. Diesmal unterbrach mich niemand, und als ich fertig war, ließ ich das Gericht auf kleiner Flamme vor sich hinschmoren.
Es war bereits halb acht, und Lotty war immer noch nicht da. Ich begann mir Sorgen zu machen, und überlegte, ob ich in der Praxis oder bei Max nachfragen sollte. Ein Notfall konnte sie sowohl hier wie dort aufgehalten haben. Andererseits wäre sie ein leichtes Opfer für jemanden, der sich an mir rächen wollte. Um halb neun, nachdem ich mich vergebens in der Praxis und im Krankenhaus erkundigt hatte, entschloß ich mich, sie zu suchen. Ihr Auto bog in dem Moment um die Ecke, als ich die Haustür zusperrte. »Lotty! Ich habe mir schon Sorgen gemacht«, rief ich und lief ihr entgegen.
Sie folgte mir müde - nicht forsch, wie üblicherweise - ins Haus. »Wirklich, meine Liebe?« fragte sie leise. »Ich hätte daran denken sollen, wie nervös du die letzten Tage gewesen bist. Normalerweise regst du dich wegen ein paar Stunden nicht so auf.«
Sie hatte recht. Ein weiterer Beweis, daß ich mich in dieser Sache mittlerweile jenseits jeder rationalen Handlungsweise bewegte. In der Wohnung entledigte sie sich langsam ihres Mantels und verstaute ihn gewissenhaft in dem Garderobenschrank aus Walnußholz. Dann ließ sie sich in einen Sessel im Wohnzimmer fallen und gestattete, daß ich ihr einen kleinen Cognac brachte - der einzige Alkohol, den sie trinkt, und das nur bei großem Streß.
»Danke, meine Liebe. Das tut gut.« Sie streifte die Schuhe ab. »Die letzten zwei Stunden habe ich mit Dr. Christophersen verbracht. Sie ist die Nierenfachärztin, der ich deine Tagebücher zeigen wollte.« Sie trank das Glas aus, schüttelte jedoch den Kopf, als ich anbot, ihr noch einmal einzuschenken. »Als ich mir die Aufzeichnungen ansah, vermutete ich bereits etwas, aber ich wollte mich vergewissern.« Sie holte aus ihrer Handtasche ein paar Fotokopien. »Die Notizbücher habe ich in Max' Safe im Beth Israel deponiert. Sie sind zu - zu entsetzlich, um sie irgendwo herumliegen zu lassen, wo sie womöglich in die falschen Hände geraten. Das ist Anns - Dr. Christophersens - Zusammenfassung. Sie sagt, sie kann sie bei Bedarf auch gründlicher analysieren.«
Ich nahm die Kopien und blickte auf Dr. Christophersens kleine, deutliche Handschrift. Sie zitierte Dr. Chigwells Kürzel und führte die Fälle Louisa Djiaks und Steve Ferraro als Beispiele an. Mit den Blutwerten als solchen konnte ich nichts anfangen, aber die Zusammenfassung am Ende war in einfachem Englisch und erschreckend deutlich.
»Diese Angaben sind die Auswertungen der Blutbilder von Ms. Louisa Djiak (weiblich, weiß, ledig, ein Kind) von 1963 bis 1982 sowie von Mr. Steve Ferraro (männlich, weiß, ledig) von 1957 bis 1982. Es liegen für circa fünfhundert Angestellte der Xerxes-Werke von 1955 bis 1982 ebenfalls Angaben vor. Belegt werden dadurch Veränderungen der Kreatinwerte, der Harnstoffwerte, des Bilirubins, der Hämatokritwerte, des Hämoglobins und der Anzahl der weißen Blutkörperchen, die übereinstimmen mit der Entwicklung der Dysfunktion von Nieren, Leber und Knochenmark. Eine Nachfrage bei Dr. Daniel Peters, dem behandelnden Arzt von Ms. Djiak, ergab, daß die Patientin zum ersten Mal 1984 zu ihm kam, auf Drängen ihrer Tochter. Zu diesem Zeitpunkt diagnostizierte er chronisches Nierenversagen, das sich mittlerweile in einem akuten Stadium befindet. Andere Komplikationen ließen Ms. Djiak als aussichtslose
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