Blood Shot
die sich etwas seltsam verhält. Und vielleicht noch der Müllkönig. Und wenn Steve Dresberg wirklich mitmischt, solltest du besser vorsichtig sein. Der Junge läßt sich nichts wegnehmen. Gut möglich, daß er mit Jurshak unter einer Decke steckt, aber was hat Humboldt mit der Sache zu tun?«
»Keine Ahnung. Jurshak ist sein Versicherungstreuhänder. Das ist kein Verbrechen, aber ich frage mich, was Jurshak als Gegenleistung dafür tut.« Die flüchtige Erinnerung, die ich seit Samstag zu fassen versuchte, tauchte auf und war wieder weg.
»Was ist los?« fragte Murray argwöhnisch.
»Nichts. Ich dachte, ich erinnerte mich an etwas, aber ich krieg's einfach nicht zu fassen. Ich würde gern wissen, warum Humboldt über Joey Pankowski und Steve Ferraro Lügen verbreitet. Es muß etwas wirklich Wichtiges sein, denn als ich ihn heute in seinem Büro heimsuchte, haben mich ein paar Gorillas hinausbefördert.«
»Vielleicht will er dich nur nicht in seiner Nähe haben«, sagte Murray boshaft. »Manchmal wünsche ich, ich hätte auch ein paar von solchen Gorillas, die dich rausschmeißen.«
Ich machte mit der Faust eine Bewegung in seine Richtung, und er griff nach meinem Handgelenk und hielt es eine Weile fest. »Raus damit, Warshawski. Bislang war das noch keine Geschichte. Nur Spekulationen, die ich nicht in die Zeitung bringen kann. Warum wolltest du mich treffen?«
Ich entzog ihm meine Hand. »Ich stelle Nachforschungen an. Wenn ich die Ergebnisse habe, werde ich möglicherweise genauer wissen, warum Humboldt lügt. Als nächstes treffe ich mich mit Art Jurshak. Ich hab' einiges über ihn in Erfahrung gebracht und hoffe, daß er ausspukken wird, was er weiß. Und jetzt zu dem, was ich von dir will: Sollte ich ums Leben kommen, sprich mit Lotty, sprich mit Caroline Djiak und mit Jurshak. Diese drei Personen sind der Schlüssel zu der Sache.« »Bist du wirklich in Lebensgefahr?«
Ich sah zu, wie Murray sein Bier austrank und ein drittes bestellte. Er wiegt ungefähr zweieinhalb Zentner und kann's vertragen. Ich begnügte mich mit Kaffee, weil ich für Jurshak einen klaren Kopf behalten wollte.
»Vor fünf Tagen wollte mich jemand umbringen. Zwei Typen haben am Freitag vor meiner Wohnung auf mich gewartet. Und Gustav Humboldt hat heute mit Drohungen nicht hinterm Berg gehalten. Ich glaub' nicht, daß ich übertreibe.«
Natürlich wollte Murray wissen, was ich gegen Jurshak in der Hand hatte, aber ich war wild entschlossen, Louisas Geschichte nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Wir stritten uns deswegen bis Viertel nach eins, dann stand ich auf, warf einen Fünfdollarschein auf den Tisch und ging. Murray schrie mir etwas nach, aber ich hoffte, in einem Bus nach Süden zu sitzen, bevor er gezahlt hatte und mir folgen konnte.
Ein Bus der Linie 147 schloß gerade seine Türen, als ich die Treppe erreichte. Der Fahrer, ein seltener Menschenfreund, öffnete sie noch einmal, als er mich kommen sah. Art hatte auf halb drei bestanden. Ich wollte sichergehen, daß er nicht früher und in bewaffneter Begleitung auftauchte. Art junior kannte ich kaum, und vor allem traute ich ihm nicht - vielleicht hatte er mich angelogen. Oder vielleicht traute Art senior seinem Sohn nicht und hatte ihm seine Geschichte nicht abgenommen. Jedenfalls wollte ich am Treffpunkt sein, bevor sie mir irgendeine Falle stellen konnten.
Ich fuhr bis zum Jackson Drive und ging das letzte Stück zu Fuß. Während des Sommers ist der Buckingham-Brunnen das Glanzstück der Uferpromenade, wird von Bäumen überschattet, und Touristen drängeln sich in seiner Nähe. Im Winter, wenn die Bäume kein Laub tragen und das Wasser abgestellt ist, ist es ein guter Treffpunkt, um zu reden. Es sind kaum Menschen dort, und man hat alles gut im Blick. Der Grant-Park lag verlassen unter dem grauen Winterhimmel. Leere Plastiktüten und Whiskeyflaschen waren die einzigen Zeichen menschlichen Lebens. Ich zog mich in den Rosengarten südlich des Brunnens zurück und blieb im Schatten einer Statue. Die Smith & Wesson steckte ich in meine Jackentasche, mein Daumen lag auf dem Sicherungshebel.
Der leichte Nieselregen hielt mit Unterbrechungen den ganzen Nachmittag an. Trotz der relativ warmen Luft war ich durchgefroren, weil die Feuchtigkeit durch den Stoff der Jacke drang. Ich hatte keine Handschuhe an, damit ich den Revolver mühelos bedienen konnte, aber als Jurshak aufkreuzte, waren meine Finger so steif, daß ich wahrscheinlich nicht hätte schießen
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