Blood Target: Thriller (German Edition)
illegal, und selbst wenn ich Ihnen geben wollte, was Sie verlangen, wäre ich nicht bereit, dafür das Gesetz zu brechen.«
»Sie heißen Margaret Schule«, sagte er. »Sie sind neunundvierzig Jahre alt. Aufgewachsen sind Sie in Gräfelfing, ein paar Kilometer westlich von München. Ihr Vater war Bäcker. Im Sommer 1939 ist er der NSDAP beigetreten. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war er in den Rang eines Leutnants der Waffen- SS aufgestiegen. Nach dem Krieg hat er seinen Namen geändert und die Identität eines seiner Freunde aus Kindheitstagen angenommen. Dann ist er mit seiner jungen Frau nach Österreich gezogen. Dort haben die beiden über zehn Jahre lang gelebt, bevor sie nach Deutschland zurückgekehrt sind. Dann wurden Sie geboren. Sie haben an der Freien Universität in Berlin Medizin studiert und anschließend sechs Jahre lang in Deutschland praktiziert, bevor Sie erst in London und dann in den Vereinigten Staaten waren. Dort haben Sie sich auf kosmetische Chirurgie spezialisiert und eine Zeit lang am Princeton Plainsboro Teaching Hospital gelehrt. Vor fünfzehn Jahren sind Sie zum Begräbnis Ihres Vaters nach Österreich gekommen, und sechs Jahre später haben Sie diese Praxis hier eröffnet. Das dazu benötigte Kapital stammt von Ihrem Ehemann, Alfred, den Sie während Ihrer Zeit in London kennengelernt haben. Er besitzt einen Anteil von fünfundfünfzig Prozent an dieser Praxis und hat keinen Schimmer, dass Sie seit achtzehn Monaten eine Affäre mit seinem jüngeren Bruder haben. Sie treffen sich jeden Freitagnachmittag. Seiner Sekretärin erzählt er, dass er Badminton spielen geht.«
Der Gesichtsausdruck des Patienten blieb unverändert. Nicht einmal eine Andeutung von Boshaftigkeit war darin zu erkennen. Ruhig und entspannt saß er da, attraktiv, aber kalt. Sein ganzer Ausdruck verlangte Gehorsam.
Frau Dr. Schule starrte den Patienten lange Zeit an, bevor sie ihre Fassung wiedergewann. Sie öffnete den Mund, wollte Antworten auf Fragen verlangen, die sie nicht formulieren konnte. Schließlich streckte sie die Hand aus, drückte eine Taste an ihrer Sprechanlage und legte den Telefonhörer ans Ohr.
Kaum hatte ihre Sekretärin sich gemeldet, gab sie ihr Anweisung, alles zu tun, was der Patient verlangte. Ihre Proteste wischte sie beiseite: »Das ist mir egal. Sorgen Sie dafür, dass alles gelöscht wird, und geben Sie ihm die komplette Akte.«
Der Patient erhob sich, ohne sie aus den Augen zu lassen, stellte den Stuhl genau an die Stelle, an der er vorher gestanden hatte, und verließ ohne jedes weitere Wort das Sprechzimmer.
Kapitel 6
Victor zog eine Sonnenbrille aus der Innentasche seines Jacketts und setzte sie auf. Er stand vor der herrlichen Stadtvilla mit Schules Praxis. Es war früher Nachmittag, und die Sonne stand hell und warm am Himmel. Die Außenwand des Hauses war weiß gestrichen, genau wie bei jedem anderen Haus in der breiten Straße. Ein schmiedeeiserner, schwarz lackierter Zaun, gekrönt mit bronzenen Spitzen, flankierte die Marmortreppe, die zum Bürgersteig hinabführte. Ein leichter Wind blies Victor ins Gesicht. Er ging die Treppe hinunter und ließ den Blick ganz automatisch über die unmittelbare Umgebung schweifen.
Die Villa stand in der Wiener Straße im Zentrum von Wien, direkt am Stadtpark. Die Straßen in der Nachbarschaft sahen alle gleich aus – überall dieselben kostspieligen Stadtvillen, allesamt strahlend weiß mit roten Dachziegeln, allesamt sehr aufwendig restauriert. Nur wenige dienten als Wohnhäuser. Die meisten wurden von Steuerberatern, Rechtsanwälten oder Ärzten als Büro, Kanzlei oder Praxis genutzt. Die Ahornbäume im Stadtpark auf der gegenüberliegenden Straßenseite warfen ihre Schatten nicht nur auf den Bürgersteig, sondern auch auf parkende Luxuslimousinen und riesige Nobel- SUV s. Nicht das kleinste Stückchen Abfall, nicht die Spur eines Kaugummis waren hier zu entdecken.
Auf dem gegenüberliegenden, breiten Bürgersteig standen im Abstand von ungefähr dreißig Metern mehrere Parkbänke. Männer und Frauen in Bürokleidung nutzten sie für ihre Mittagspause, um eine Kleinigkeit zu essen, Kaffee zu trinken oder einfach nur, um während eines Telefonats die Sonne zu genießen.
Einziges Anzeichen dafür, dass dieses Viertel keine völlig isolierte Welt des Überflusses bildete, war eine Bushaltestelle. Es verkehrten nur zwei Buslinien, weil diejenigen, die hier lebten und arbeiteten, mit dem öffentlichen Nahverkehr nicht allzu viel anfangen
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