Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
nicht?«
Mein Telefon blitzte auf; eine weitere SMS von Brayden. Bis dahin ist der Ball fast vorüber.
»Aber warum?«, fragte Adrian und setzte sich neben mich auf den Boden. Er wirkte beinahe verstört. Dann beugte er sich näher zu mir vor und schien selbst schockiert, als ihm aufging, was er da tat. Er lehnte sich ein wenig zurück – aber nur ein wenig. »Warum solltest du das tun? Warum solltest du das für mich tun?«
Bevor ich antworten konnte, kam eine weitere SMS herein. Bist du überhaupt rechtzeitig zurück? Jetzt war ich einfach verärgert darüber, dass er nicht verständnisvoller war. Ohne zu überlegen, tippte ich: Vielleicht solltest du einfach gehen. Ich ruf dich morgen an. Tut mir leid. Ich klappte das Telefon zu, so dass ich keine weiteren Nachrichten sehen konnte, und sah wieder zu Adrian hinüber, der mich aufmerksam beobachtete.
»Ich habe es getan, weil er dir gegenüber nicht fair war. Weil du Lob für das verdienst, was du getan hast. Weil er begreifen muss, dass du nicht die Person bist, für die er dich immer gehalten hat. Er muss sehen, wer du wirklich bist, nicht all die Vorurteile, die er um dich herum aufgestellt hat.« Adrians Blick wurde jetzt so zwingend, dass ich weiter sprach. Es machte mich nervös, ihm schweigend in die Augen zu sehen. Außerdem hatte ein Teil von mir Angst, ich würde bei allzu gründlichem Nachdenken über meine eigenen Worte entdecken, dass es dabei ebenso sehr um meinen eigenen Vater und um mich ging wie um Adrian und seinen Vater. »Es hätte reichen sollen, dass du ihm sagst, wer du bist – dass du ihm zeigst, wer du bist – , aber er wollte nicht zuhören. Mir gefällt der Gedanke nicht, andere zu benutzen, um Dinge zu tun, die wir selbst tun können, aber das schien die einzige Möglichkeit zu sein.«
»Na ja«, sagte Adrian schließlich. »Ich nehme jedenfalls an, es hat funktioniert. Danke.«
»Hat er dir auch gesagt, wie du dich mit deiner Mutter in Verbindung setzen kannst?«
»Nein. Ganz so weit ging sein Stolz auf mich anscheinend doch nicht.«
»Ich kann wahrscheinlich herausfinden, wo sie ist«, entgegnete ich. »Oder … oder Dimitri könnte es, da bin ich mir sicher. Wie du gesagt hast: Sie müssen Briefe zu ihr hineinlassen.«
Er lächelte schon beinahe. »Du fängst schon wieder an. Warum? Warum hilfst du mir dauernd?«
Mir lagen eine Million Antworten auf den Lippen, angefangen von Es ist das Richtige bis hin zu Ich weiß es nicht. Stattdessen sagte ich: »Weil ich es will.«
Diesmal bekam ich ein aufrichtiges Lächeln von ihm, aber das Lächeln hatte auch etwas Dunkles und in sich Gekehrtes. Er rutschte wieder näher zu mir heran. »Weil dir dieser verrückte Junge leidtut?«
»Du wirst nicht verrückt«, widersprach ich energisch. »Du bist stärker, als du glaubst. Wenn dir das nächste Mal so zumute ist, such dir was, worauf du dich konzentrieren kannst, und das dich daran erinnert, wer du bist.«
»Wie was zum Beispiel? Hast du irgendeinen magischen Gegenstand im Sinn?«
»Magisch ist gar nicht nötig«, erwiderte ich. Ich zermarterte mir das Hirn. »Hier.« Ich nahm die goldene Kette mit dem Kreuz vom Hals. »Die hat mir immer gut geholfen. Vielleicht wird sie dir auch helfen.« Ich legte sie ihm in die Hand, aber er hielt meine Hand fest, bevor ich sie zurückziehen konnte.
»Was ist das?«, fragte er, während er genauer hinsah. »Moment … ich habe das schon mal gesehen. Du trägst es immer.«
»Ich habe es vor langer Zeit gekauft, in Deutschland.«
Er hielt noch immer meine Hand fest, während er das Kreuz betrachtete. »Keine Verzierungen. Keine Schnörkel. Keine eingeritzten geheimen Symbole.«
»Deshalb gefällt es mir«, erklärte ich. »Es braucht keine Verschönerung. Viele alte Glaubensanschauungen der Alchemisten konzentrierten sich auf Reinheit und Schlichtheit. Das ist es. Vielleicht hilft es dir, einen klaren Verstand zu behalten.«
Er hatte das Kreuz angestarrt, aber jetzt sah er mir in die Augen.
Irgendein Gefühl, das ich nicht recht deuten konnte, glitt über sein Gesicht. Es war beinahe so, als hätte er gerade etwas entdeckt, etwas, das ihm zu schaffen machte. Er holte tief Luft und zog mich an sich, ohne meine Hand loszulassen. Seine grünen Augen wirkten im Kerzenlicht dunkel, aber irgendwie genauso faszinierend. Seine Finger schlossen sich um meine, und ich spürte, wie sich eine Wärme in mir ausbreitete.
»Sage … «
Plötzlich gab es wieder Strom, und das Licht durchflutete den
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