Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
Raum. Offenbar hatte Adrian ohne Rücksicht auf die Stromrechnung alle Lichter brennen lassen, als er seine Wohnung vorhin verlassen hatte. Der Bann war gebrochen, und wir zuckten angesichts der plötzlichen Helligkeit beide heftig zusammen. Adrian wich zurück, und das Kreuz blieb in meiner Hand liegen.
»Hast du keinen Ball oder eine Sperrstunde oder so was?«, fragte er abrupt und ohne mich anzusehen. »Ich will dich nicht aufhalten. Teufel, ich hätte dich überhaupt nicht belästigen sollen. Tut mir leid. Ich nehme an, das war Aiden, der dir eine SMS geschickt hat?«
»Brayden«, sagte ich und stand auf. »Und es ist okay. Er ist gegangen, und ich fahre jetzt einfach in die Amberwood zurück.«
»Tut mir leid«, wiederholte er und ging mit mir zur Tür. »Tut mir leid, dass ich dir den Abend verdorben habe.«
»Ach, das?« Ich lachte beinahe, als ich an all die verrückten Dinge dachte, mit denen ich mich in meinem Leben schon abgefunden hatte. »Nein. Dazu würde erheblich mehr gehören – mir den Abend zu verderben.« Ich machte einige Schritte, dann blieb ich stehen. »Adrian?«
Er sah mich endlich direkt an, und sein Blick warf mich erneut um. »Ja?«
»Nächstes Mal … nächstes Mal, wenn du mit mir über etwas reden möchtest – irgendetwas – , brauchst du dir keinen Mut anzutrinken. Sag es mir einfach.«
»Leichter gesagt als getan.«
»Eigentlich nicht.« Ich wollte erneut zur Tür gehen, aber diesmal hinderte er mich dadurch daran, dass er mir eine Hand auf die Schulter legte.
»Sage?«
Ich drehte mich um. »Ja?«
»Weißt du, warum ich ihn nicht mag? Brayden?« Ich war so erstaunt, dass er den Namen richtig ausgesprochen hatte, dass ich keine Antworten geben konnte, obwohl mir mehrere einfielen. »Wegen dem, was er gesagt hat.«
»Welchen Teil meinst du?« Da Brayden vieles gesagt hatte und das jeweils in allen Einzelheiten, war mir nicht ganz klar, worauf Adrian anspielte.
»›Historisch nicht korrekt‹.« Adrian zeigte mit der anderen Hand auf mich, mit der Hand, die nicht auf meiner Schulter lag. »Wer zum Teufel sieht dich an und sagt: ›Historisch nicht korrekt‹?«
»Na ja«, entgegnete ich. »Streng genommen stimmt es.«
»Er hätte es nicht sagen sollen.«
Ich trat von einem Fuß auf den anderen und wusste, dass ich weiter sollte … aber es ging nicht. »Hör mal, das ist einfach seine Art.«
»Er hätte es nicht sagen sollen«, wiederholte Adrian mit unheimlichem Ernst und beugte sich dicht zu mir vor. »Es ist mir egal, ob er nicht der emotionale Typ ist oder der Typ, der Komplimente macht, oder was auch immer. Niemand kann dich in diesem Kleid ansehen, in all diesem Feuer und Gold, und über Anachronismen reden. Ich an seiner Stelle hätte gesagt: ›Du bist das schönste Geschöpf, das ich je auf dieser Erde habe wandeln sehen.‹«
Mir stockte der Atem, sowohl wegen der Worte als auch wegen der Art, wie er sie aussprach. Ich fühlte mich ganz seltsam in meinem Innern. Ich wusste nicht, was ich denken sollte, nur dass ich von hier wegmusste, weg von Adrian, weg von dem, was ich nicht verstand. Ich löste mich von ihm und stellte zu meiner Überraschung fest, dass ich zitterte.
»Du bist immer noch betrunken«, bemerkte ich und legte die Hand auf den Türknauf.
Er legte den Kopf schräg und beobachtete mich weiterhin auf diese beunruhigende Art. »Manche Dinge sind wahr, ob betrunken oder nüchtern. Du solltest das wissen. Du hast ständig mit Fakten zu tun.«
»Ja, aber dies ist keine … « Ich konnte nicht mit ihm argumentieren, wenn er mich so ansah. »Ich muss jetzt gehen. Warte … du hast das Kreuz nicht genommen.« Ich hielt es ihm hin.
Er schüttelte den Kopf. »Behalt es. Ich glaube, ich habe was anderes, das mir hilft, mich auf das Wesentliche zu besinnen.«
Kapitel 15
A m nächsten Tag hatte ich Braydens wegen ein so schlechtes Gewissen, dass ich ihn tatsächlich anrief, statt ihm eine SMS oder E-Mail zu schicken, wie üblich.
»Es tut mir so leid«, begann ich. »Einfach so wegzulaufen … das ist normalerweise nicht meine Art. Ganz und gar nicht. Ich wäre nicht gegangen, wenn es nicht ein Notfall in der Familie gewesen wäre.« Vielleicht war das etwas großzügig ausgedrückt. Vielleicht auch nicht.
»Schon gut«, sagte er. Ohne sein Gesicht zu sehen, konnte ich nicht erkennen, ob es wirklich gut war. »Die Sache hatte sowieso an Schwung verloren.«
Ich fragte mich, welche »Sache« er meinte. Den Ball? Oder sprach er über uns?
»Darf
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