Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
und dass Sonya wahrscheinlich auf einem Grundstück draußen vor der Stadt festgehalten wurde. Ich ging nicht näher darauf ein, woher ich das wusste, und Stanton war durch die Entführung im Allgemeinen zu sehr in Anspruch genommen, um viel nachzufragen.
Beim Frühstück fand ich meine Familie mit Micah drüben in der West-Cafeteria. Eddies, Angelines und Jills besorgte Mienen sagten mir, dass sie alle von Sonya wussten. Micah plauderte gut gelaunt über irgendetwas, und ich hatte das Gefühl, dass seine Anwesenheit die anderen daran hinderte, das zu besprechen, über das sie wirklich reden wollten. Als Micah sich umdrehte und Eddie etwas fragte, beugte ich mich vor und murmelte Jill zu: »Schaff ihn weg.«
»Soll ich ihm sagen, dass er gehen soll?«, flüsterte sie zurück.
»Falls nötig, ja. Oder geh mit ihm.«
»Aber ich will … «
Sie biss sich auf die Unterlippe, als Micah seine Aufmerksamkeit wieder auf sie richtete. Sie wirkte unglücklich über das, was sie tun musste, setzte aber bald die entschlossene Miene auf, die ich in letzter Zeit häufig bei ihr gesehen hatte. Sie deutete mit dem Kopf auf Micahs Teller. »He, bist du fertig? Ich hab was mit Ms Yamani zu besprechen. Kommst du mit?«
Micahs Miene hellte sich auf. »Natürlich.«
Sobald die beiden fort waren, drehte ich mich zu Eddie und Angeline um. »Irgendeine Spur von Trey?«, fragte ich.
»Nein«, antwortete Eddie. »Ich war heute Morgen noch mal in seinem Zimmer. Sein Mitbewohner fängt allmählich an, mich zu hassen. Kann nicht behaupten, dass ich ihm das übelnehme.«
»Das treibt mich noch in den Wahnsinn!«, sagte ich und hatte das Gefühl, am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen. »Wir sind so nah dran und trotzdem so hilflos. Jede Minute, die verrinnt, ist eine weitere Minute, die Sonya nicht hat.«
Er verzog das Gesicht. »Wissen wir denn sicher, dass sie noch am Leben ist?«
»Gestern Nacht war sie es«, sagte ich.
Sowohl Eddie als auch Angeline sahen mich voller Staunen an. »Woher weißt du das?«, fragte sie.
»Ähm, na ja, ich – ist nicht möglich!« Mir klappte der Unterkiefer herunter, als ich an Eddie vorbeisah. »Da ist Trey!«
Und tatsächlich, ein übernächtigter Trey hatte gerade die Cafeteria betreten. Feuchtes Haar war das Anzeichen für eine kürzliche Dusche, aber er war übersät mit Prellungen und Kratzern, die ich nicht länger auf den Football schieben konnte.
Eddie war schon in Bewegung, bevor ich auch nur ein weiteres Wort sagen konnte, und Angeline und ich folgten ihm schnell. Ich erwartete halb, dass Eddie Trey an Ort und Stelle packen würde. Stattdessen stellte er sich Trey direkt in den Weg. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um Eddie sagen zu hören: »Kein Frühstück heute. Du kommst mit uns.«
Trey wollte protestieren, dann sah er Angeline und mich. Ganz plötzlich erschien auch Jill; sie hatte Micah offenbar abgeschüttelt. Ein trauriger Ausdruck glitt über Treys Züge – er wirkte fast geschlagen – , und er nickte erschöpft. »Gehen wir nach draußen.«
Sobald wir zur Tür hinaus waren, packte Eddie Trey und stieß ihn gegen die Mauer. »Wo ist Sonya Karp?«, fragte er. Trey wirkte verständlicherweise überrascht. Eddie war hager und muskulös, aber die meisten Leute unterschätzten seine Stärke.
»Eddie, lass das!«, zischte ich und blickte mich unbehaglich um. Stimmte schon, ich verspürte den gleichen Drang, aber unser Verhör würde uns nicht weit bringen, wenn ein Lehrer vorbeikam und glaubte, wir würden einen anderen Schüler verprügeln.
Eddie ließ Trey los und trat zurück, aber in seinen Augen stand ein gefährliches Glitzern. »Wo ist das Gelände, auf dem ihr sie festhaltet?«
Diese Frage weckte Trey anscheinend aus seiner Benommenheit. »Woher wisst ihr davon?«
»Wir stellen hier die Fragen«, sagte Eddie. Er fasste Trey nicht noch einmal an, aber seine Nähe und Haltung ließen keinen Zweifel daran, dass er nötigenfalls zu extremen Maßnahmen greifen würde. »Lebt Sonya noch?«
Trey zögerte, und ich erwartete beinahe, dass er jegliches Wissen über sie leugnen würde. »J-Ja. Im Augenblick.«
Eddie rastete erneut aus. Er packte Trey am Hemd und riss ihn zu sich. »Ich schwöre, wenn ihr, du und deine verkorksten Kumpane, ihr auch nur ein Haar krümmt … «
»Eddie!«, warnte ich.
Einen Augenblick lang rührte sich Eddie nicht. Dann ließ er Treys Hemd widerstrebend los, blieb aber, wo er war. »Trey«, begann ich und behielt den gleichen
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