Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
hinzubekommen. Aber ehrlich, das ist Schwachsinn.«
»Ein wenig Pessimismus?«, rief ich. »Adrian, ich habe mehr als zwei Stunden eine Schale Wasser angestarrt! Es ist jetzt fast halb zwei. Ich bin fix und fertig, ich will Kaffee, und jeder Muskel in meinem Körper schmerzt. Oh, und von all diesem Weihrauch werde ich mich gleich noch übergeben!«
»Das ist alles ätzend«, stimmte er mir zu. »Aber ich meine mich an einen deiner Vorträge vor Kurzem zu erinnern, dass wir Härten ertragen müssen, wenn wir das Richtige tun wollen. Willst du also sagen, du kannst das nicht tun, um Sonya zu helfen?«
»Ich würde alles tun, um ihr zu helfen! Das heißt, alles, was in meiner Macht steht. Aber ich glaube, das ist hier nicht so.«
»Ich weiß nicht«, überlegte er. »Ich hatte viel Zeit, mit Jackie zu reden – ich darf sie nämlich so nennen – , und dabei alles über diese menschliche Magie erfahren. Damit lässt sich viel erreichen.«
»Es ist aber falsch«, brummelte ich.
»Und doch bist du hier und hast die Fähigkeit, Sonya zu finden.« Adrian zögerte, dann traf er eine Entscheidung, trat auf mich zu und legte mir die Hände auf die Schultern. »Jackie hat gesagt, dass du eine der größten Naturbegabungen für Magie bist, der sie je begegnet ist. Sie meinte, mit ein wenig Übung wäre ein Zauber wie der hier ein Spaziergang für dich, und sie ist sicher, dass du es jetzt schaffen kannst. Und ich glaube ihr. Nicht, weil ich einen Beweis dafür habe, dass du ein magisches Talent besitzt, sondern weil ich gesehen habe, wie du an alles andere herangehst. Du wirst hier nicht versagen. Du wirst niemals versagen.«
Ich war so erschöpft, dass ich glaubte, vielleicht gleich in Tränen ausbrechen zu müssen. Ich wollte umfallen und mich von ihm hier heraustragen lassen, wie er es früher am Tag versprochen hatte. »Das ist das Problem. Ich versage nicht. Aber ich befürchte, dass ich jetzt versagen werde. Ich weiß nicht, wie das ist. Und es macht mir Angst.« Vor allem, da Sonyas Leben von mir abhängt.
Adrian streckte die Hand aus und zeichnete die Lilie auf meiner Wange nach. »Du wirst heute Nacht nicht herausfinden, wie es ist zu versagen, weil du nicht versagen wirst. Du kannst das hier schaffen. Und ich werde hierbleiben, solange es dauert. Okay?«
Ich holte tief Luft und versuchte, mich zu beruhigen. »Okay.«
Nachdem er gegangen war, kehrte ich zu meinem Hocker zurück und gab mir Mühe, die Erschöpfung in Körper und Geist zu ignorieren. Ich dachte darüber nach, was er gesagt hatte, dass ich nicht scheitern würde. Ich dachte über sein Vertrauen in mich nach. Und am wichtigsten, ich dachte an Sonya. Ich dachte daran, wie verzweifelt ich mir wünschte, ihr zu helfen.
Das alles tobte in mir, während ich das Wasser anstarrte, kristallklar bis auf das Haar, das darin schwamm. Eine rote Linie vor diesem Silber. Wie ein Funke aus Feuer, ein Funke, der in meinen Augen heller und heller wurde, bis er eine klarere Gestalt annahm, einen Kreis mit stilisierten Lilien, die davon ausgingen. Eine Sonne, begriff ich. Jemand hatte eine orangefarbene Sonne auf ein Stück Sperrholz gemalt und an einen Maschendrahtzaun gehängt. Trotz der schäbigen Leinwand hatte der Maler viel Sorgfalt beim Zeichnen der Sonne aufgewandt. Die Strahlen hatte er stilisiert und darauf geachtet, dass sie auch gleichmäßig lang waren. Der Zaun selbst war hässlich, ein Industrieprodukt, und ich erblickte etwas, das wie ein Verteilerkasten aussah. Die Gegend war braun und öde, aber die Berge in der Ferne sagten mir, dass der Zaun immer noch im größeren Umfeld von Palm Springs stand. Es sah irgendwie wie das Viertel aus, in dem Wolfe lebte, außerhalb der Stadt und weit entfernt von dem hübschen Grün. Durch den Zaun, hinter dem Schild, erblickte ich ein großes, weitläufiges Gebäude …
»Au!«
Die Vision verschwand, als ich mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug. Ich war von dem Hocker gefallen.
Es gelang mir, mich wieder aufzurichten, aber mehr auch nicht. Die Welt drehte sich um mich, und im Magen war mir ganz schwach. Nach einer Zeit, die drei Sekunden oder drei Stunden gedauert haben mochte, hörte ich Stimmen und Schritte. Starke Arme ergriffen mich, und Adrian half mir auf die Füße. Ich klammerte mich an den Tisch, während er den Hocker aufhob und mir half, mich wieder hinzusetzen. Ms Terwilliger schob den silbernen Teller beiseite und ersetzte ihn durch einen gewöhnlichen Porzellanteller mit Käse und Crackern. Ein
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