Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
Adrian kicherte über meine Reaktion und holte sein Handy heraus. »Genieß den Anblick, während ich meinen alten Herrn anrufe.«
Das musste er mir nicht zweimal sagen. Ich ging zu einer der Glaswände hinüber und bewunderte die gewaltige blaugraue Wasserfläche. An bewölkten Tagen würde es bestimmt schwer sein zu sagen, wo der Himmel endete und das Meer begann. Das Wetter war herrlich. Die Sonne schien von einem völlig klaren, blauen Himmel. Auf der rechten Seite der Lobby führte eine Doppeltür auf einen Balkon in mediterranem Stil. Restaurantgäste genossen dort draußen in der Sonne ihren Lunch. Dann fiel mein Blick auf einen funkelnden Pool hinab, der so blau war wie der Himmel und von Palmen und Sonnenanbetern umringt wurde. Ich hatte zwar nicht dieselbe Sehnsucht nach Wasser wie eine Magiebenutzerin wie Jill, aber ich hatte schon fast zwei Monate lang in der Wüste gelebt. Dies hier war einfach umwerfend.
Ich war so gebannt von der Schönheit dort draußen, dass ich Adrians Rückkehr gar nicht bemerkte. Tatsächlich nahm ich erst wahr, dass er direkt neben mir stand, als eine Mutter nach ihrer Tochter rief – die ebenfalls Sydney hieß – , so dass ich zur Seite sah. Dort stand Adrian, nur wenige Zentimeter von mir entfernt, und beobachtete mich ziemlich erheitert.
Ich fuhr zusammen und trat ein wenig zurück. »Wie wäre es beim nächsten Mal mit einer Vorwarnung?«
Er lächelte. »Ich wollte nicht stören. Du hast zur Abwechslung einmal glücklich ausgesehen.«
»Zur Abwechslung? Ich bin meistens glücklich.«
Ich kannte Adrian gut genug, um die Anzeichen für eine bevorstehende sarkastische Bemerkung zu erkennen. In letzter Sekunde besann er sich jedoch anders, und seine Miene wurde ernst. »Macht dieser Bursche – dieser Brendan … «
»Brayden.«
»Macht dieser Brayden dich glücklich?«
Ich sah Adrian überrascht an. Eine solche Frage war, wenn sie von ihm kam, fast immer eine Falle, aber sein neutraler Ausdruck erschwerte es diesmal, die Motive zu erraten.
»Ich glaube schon«, sagte ich schließlich. »Ja. Ich meine, er macht mich nicht unglücklich.«
Bei diesen Worten lächelte Adrian wieder. »Eine glühend heiße Antwort, wenn es jemals eine gegeben hat. Was gefällt dir an ihm? Abgesehen von dem Auto? Und dass er nach Kaffee riecht?«
»Mir gefällt, dass er klug ist«, gab ich zurück. »Es gefällt mir auch, dass ich mich in seiner Gegenwart nicht dumm stellen muss.«
Jetzt runzelte Adrian die Stirn. »Tust du das oft?«
Ich war von der Verbitterung in meinem eigenen Lachen überrascht. »›Oft?‹ Versuch es mal mit ständig! Wahrscheinlich ist das Wichtigste, was ich in Amberwood gelernt habe, dass Leute nicht gern wissen möchten, wie viel man weiß. Bei Brayden müssen wir uns beide nicht zurückhalten. Ich meine, sieh mal, heute früh zum Beispiel! In der einen Minute haben wir über Halloweenkostüme geredet, und in der nächsten die Ursprünge der Demokratie im Athen des Altertums erörtert.«
»Ich werde nicht behaupten, ein Genie zu sein, aber wie zum Teufel seid ihr von dem einen auf das andere Thema gekommen?«
»Oh«, sagte ich. »Unsere Halloweenkostüme. Wir verkleiden uns als Griechen. Aus dem Zeitalter Athens.«
»Natürlich«, erwiderte er. Und diesmal erkannte ich deutlich die Zeichen für herannahenden Sarkasmus. »Keine erotischen Katzenkostüme kommen für dich infrage. Nur die würdevollste, feministischste Gewandung wird deinen Ansprüchen genügen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Feministisch? Oh nein. Keine Athenerinnen. Sie sind von Feminismus so weit entfernt, wie man sich nur denken kann – na ja, schon gut. Ist nicht wirklich wichtig.«
Adrian stutzte. »Das ist es, nicht wahr?« Er beugte sich zu mir vor, und ich wäre beinahe zurückgewichen … aber etwas hielt mich doch fest, etwas an der Eindringlichkeit seines Blicks.
»Was?«, fragte ich.
Er richtete den Finger auf mich. »Du hast dich gerade eben gebremst. Du hast dich einfach für mich dumm gestellt.«
Ich zögerte nur einen Augenblick. »Ja, irgendwie schon.«
»Warum?«
»Weil du nicht wirklich etwas über das Athen des Altertums hören willst, ebenso wenig, wie du von Brayden etwas über die Chaostheorie hören wolltest.«
»Das ist was anderes«, sagte Adrian. Er hatte sich nicht gerührt und war mir immer noch so, so nah. Offensichtlich hätte mich das beunruhigen sollen, aber das tat es nicht. »Er ist langweilig. Aber mit dir macht Lernen Spaß. Wie ein Kinderbuch
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