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Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)

Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)

Titel: Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richelle Mead
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meine. Und du bist außerdem einer der wild entschlossensten, loyalsten Leute, die ich kenne – und fürsorglich, wie sehr du auch das Gegenteil vorspielen magst. Ich sehe, wie du dich um Jill kümmerst. Nicht viele andere wären quer durchs Land gefahren, um ihr zu helfen. Und fast niemand hätte getan, was du getan hast, um ihr das Leben zu retten.«
    Wieder nahm sich Adrian für eine Antwort Zeit. »Aber was sind Loyalität und Fürsorge wirklich wert?«
    »Für mich? Alles.«
    Ich hatte geantwortet, ohne zu zögern. In meinem Leben hatte ich schon mit so viel Hinterhältigkeit und Kalkül zu tun bekommen. Mein eigener Vater beurteilte Leute nicht danach, wer sie waren, sondern danach, was sie für ihn tun konnten. Unter dem Deckmantel von Angeberei und Flapsigkeit nahm Adrian leidenschaftlich Anteil an anderen. Ich hatte gesehen, wie er zum Beweis dafür sein Leben riskierte. Wenn man bedachte, dass ich jemandem das Auge herausgeschnitten hatte, um meine Schwester zu rächen … na ja. Hingabe war ganz bestimmt etwas, das ich zu schätzen wusste.
    Während der restlichen Fahrt schwieg Adrian, aber ich hatte zumindest nicht länger den Eindruck, dass er Trübsal blies. Im Wesentlichen wirkte er nachdenklich, und das war nicht so besorgniserregend. Was mir ein wenig Unbehagen bereitete, war der Umstand, dass ich ihn aus dem Augenwinkel oft dabei ertappte, wie er mich betrachtete. Wieder und wieder ging ich im Geiste meine Worte durch und versuchte herauszufinden, ob etwas dabei gewesen war, das solche Aufmerksamkeit verdiente.
    Adrians Vater wohnte in einem weitläufigen Hotel in San Diego, dessen Ausstrahlung derjenigen des Lokals ähnelte, in dem Brayden und ich gefrühstückt hatten. Geschäftsleute in Anzügen mischten sich unter Vergnügungssuchende mit Hawaiihemden und Flipflops. Ich hätte zum Frühstück beinahe Jeans angezogen und war jetzt froh, dass ich mich stattdessen für einen grauen Rock und eine kurzärmlige Bluse mit einem schwachen blau-grauen Muster entschieden hatte. Sie hatte einen winzigen, gerüschten Saum, und der Rock besaß ein sehr, sehr schwaches Fischgrätenmuster. Normalerweise hätte ich so kontrastierende Muster nicht zusammen getragen, aber mir gefiel die Kühnheit des Looks. Ich hatte Jill darauf aufmerksam gemacht, bevor ich zum Frühstück gegangen war. Sie hatte eine Weile gebraucht, um die Gegensätze auch nur zu entdecken, und dann hatte sie die Augen verdreht. »Ja, Sydney. Du bist eine echte Rebellin.«
    Adrian dagegen trug eins seiner typischen Sommeroutfits: Jeans und Hemd – obwohl das Hemd natürlich nicht in der Hose steckte, die Ärmel aufgekrempelt waren und einige der oberen Knöpfe offen standen. Er trug diesen Look ständig, und trotz seiner lässigen Fassade wirkte er oft gut und modisch gekleidet. Heute jedoch nicht. Das waren die abgetragensten Jeans, die ich je an ihm gesehen hatte – die Knie wirkten so fadenscheinig, dass die künftigen Löcher schon fast zu sehen waren. Das dunkelgraue Hemd war zwar von guter Qualität und passte perfekt zu seinen Augen, wirkte jedoch unerklärlich zerknittert. Darin zu schlafen oder es auf den Boden zu werfen, hätte diesen Zustand nicht erzielen können. Ich war mir ziemlich sicher, dass jemand es tatsächlich zu einem Ball zerknüllt und sich darauf gesetzt haben musste, damit es so übel aussah. Wenn es mir in der Amberwood aufgefallen wäre (und ich nicht so damit beschäftigt gewesen wäre, ihn von Brayden wegzulotsen), hätte ich darauf bestanden, das Hemd vor unserem Aufbruch zu bügeln.
    Natürlich sah er trotzdem gut aus. Er sah immer gut aus, ganz gleich, in welchem Zustand seine Kleidung und sein Haar waren. Es war eins der aufreizenderen Dinge an ihm. Dieser zerknitterte Look verlieh ihm den Ausdruck eines versonnenen europäischen Models. Ich musterte ihn, während wir mit dem Aufzug in die Lobby im ersten Stock fuhren. Gewiss konnte es kein Zufall sein, dass er ausgerechnet an dem Tag, an dem er seinen Vater traf, so schäbig gekleidet war, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Die Frage war nur: Warum? Er hatte sich darüber beklagt, dass sein Dad immer etwas an ihm auszusetzen fand. Eine solche Kleidung erweckte nun aber den Eindruck, dass Adrian ihm lediglich einen weiteren Grund dazu liefern wollte.
    Der Aufzug öffnete sich, und als wir ausstiegen, blieb mir die Luft weg. Die hintere Wand der Lobby bestand fast zur Gänze aus einer Fensterfront und bot einen dramatischen Ausblick auf den Pazifik.

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