Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
Gedanke. »Warum sollte es Sie eigentlich interessieren, ob Keith und Clarence Vampirblut verkauft haben? Ich meine, wir Alchemisten haben natürlich Gründe, warum wir das nicht wollen … aber warum Sie?«
Ein überraschtes Glitzern blitzte in Adrians Augen auf, gefolgt von einer Erkenntnis. Dann musterte er Abe eindringlich. »Vielleicht weil er keine Konkurrenz will.«
Mir klappte fast der Unterkiefer herunter. Es war für niemanden ein Geheimnis, weder für die Alchemisten noch für die Moroi, dass Abe Mazur mit illegalen Waren handelte. Dass er aber auch große Mengen an Vampirblut an willige Menschen verkaufte, das war mir nie in den Sinn gekommen. Aber während ich ihn nun länger betrachtete, begriff ich, dass ich daran hätte denken sollen.
»Nun, nun«, sagte Abe, dem nicht einmal der Schweiß ausbrach, »nicht nötig, unangenehme Themen zur Sprache zu bringen.«
»Unangenehm?«, rief ich. »Wenn Sie mit etwas zu tun haben, das … «
Abe hob eine Hand, um mir Einhalt zu gebieten. »Genug, bitte. Denn wenn dieser Satz damit endet, dass Sie sagen, Sie werden mit den Alchemisten reden, dann müssen wir sie unbedingt herholen und über alle möglichen ungelösten Rätsel sprechen. Wie zum Beispiel über die Frage, wie Mr Darnell sein Auge verloren hat.«
Ich erstarrte.
»Das haben Strigoi getan«, erklärte Adrian ungeduldig.
»Oh, ich bitte Sie«, sagte Abe, und ein Lächeln verzerrte seine Lippen. »Mein Glaube an Sie ist gerade wiederhergestellt worden. Seit wann beschäftigen Strigoi sich mit derart präzisen Verstümmelungen? Sehr kunstvollen Verstümmelungen, könnte ich hinzufügen. Nicht dass es irgendwem jemals aufgefallen wäre. Verschwendetes Talent, das sage ich Ihnen.«
»Was sagen Sie da?«, fragte Adrian entsetzt. »Es waren keine Strigoi? Wollen Sie etwa sagen, jemand hat ihm absichtlich das Auge herausgeschnitten? Wollen Sie sagen, dass Sie … « Ihm fehlten die Worte, und er schaute einfach zwischen mir und Abe hin und her. »Das ist es, nicht wahr? Ihr Handel mit dem Teufel. Aber warum denn?«
Ich wand mich unter dem Blick dreier Augenpaare, konnte jedoch auf keinen Fall zugeben, was sich Adrian da allmählich zusammenreimte. Vielleicht hätte ich es ihm erzählen können, wenn wir allein gewesen wären. Vielleicht. Aber ich konnte es ihm nicht erzählen, während Abe so selbstgefällig dreinschaute, und gewiss nicht in Anwesenheit einer Außenseiterin wie Angeline.
Ich konnte Adrian nicht erzählen, wie ich meine Schwester Carly nach einem Date mit Keith vorgefunden hatte. Damals hatte er noch bei uns gelebt, und kurz darauf war Carly aufs College gegangen. Sie hatte nicht mit ihm ausgehen wollen, aber unser Vater liebte Keith und hatte darauf bestanden. Keith war sein Goldjunge und konnte gar nichts falsch machen. Keith glaubte das ebenfalls und konnte deswegen kein Nein als Antwort akzeptieren, als er und Carly allein gewesen waren. Anschließend war sie zu mir gekommen, hatte sich spät in der Nacht in mein Zimmer geschlichen und geschluchzt, während ich sie im Arm gehalten hatte.
Meine erste Reaktion war gewesen, es unseren Eltern zu erzählen, aber Carly hatte zu große Angst gehabt – vor allem vor unserem Vater. Ich war jung und beinahe genauso verängstigt wie sie … und bereit, allem zuzustimmen, was sie wollte. Carly hatte mir das Versprechen abgenommen, es unseren Eltern nicht zu erzählen, also beschränkte ich meine Bemühungen darauf, ihr zu versichern, dass es nicht ihre Schuld war. Die ganze Zeit über, so hatte sie mir erzählt, habe Keith ihr gesagt, wie schön sie sei und dass sie ihm keine andere Wahl lasse, dass es für ihn unmöglich sei, den Blick von ihr abzuwenden. Ich hatte sie schließlich davon überzeugt, dass sie nichts falsch gemacht hatte, dass sie ihn nicht an der Nase herumgeführt hatte – aber sie hatte mich trotzdem auf mein Versprechen festgenagelt, Stillschweigen zu bewahren.
Dies war eines der Dinge in meinem Leben, die ich am meisten bereute. Ich hatte mein Schweigen verabscheut, aber nicht annähernd so sehr, wie ich Keith dafür verabscheut hatte, dass er glaubte, er könne ein so liebes und sanftes Mädchen wie Carly vergewaltigen und ungestraft davonkommen. Erst viel später, als ich meinen ersten Auftrag bekam und Abe Mazur kennenlernte, hatte ich begriffen, dass es andere Methoden gab, Keith für seine Tat bezahlen zu lassen, Methoden, die es mir ermöglichen würden, mein Versprechen ihr gegenüber dennoch zu halten. Also
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