Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
halten. »Du musst ziemlich klug eingekauft haben. Ich nehme an, du nimmst nicht oft gebrauchte Sachen.«
»Um nicht zu sagen, nie«, sagte er. »Du hast ja keine Ahnung, auf welches Niveau ich mich herablassen musste.« Sein erfreutes Lächeln verblasste ein wenig, während er mich aufmerksam musterte. »Wie kommst du klar?«
Ich zuckte die Achseln. »Gut. Warum auch nicht? Was mir zugestoßen ist, ist nicht annähernd so schlimm wie das, was Jill durchgemacht hat.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß nicht. Jill hat schließlich nicht mit angesehen, wie ein Mann vor ihren Augen gestorben ist. Und lass uns nicht vergessen, dass derselbe Mann dich nur Sekunden zuvor töten wollte, um wieder von den Toten aufzuerstehen.«
Das war mir während der letzten Woche oft durch den Kopf gegangen. Es waren Ereignisse, die zu überwinden eine ganze Weile dauern würde. Manchmal fühlte ich überhaupt nichts. Dann wieder stürzte die Wirklichkeit der vergangenen Geschehnisse so schnell und hart auf mich ein, dass mir die Luft wegblieb. Strigoi-Albträume waren an die Stelle der Träume von Umerziehungslagern getreten.
»Ich komme tatsächlich besser klar, als du vielleicht meinst«, sagte ich langsam und sah unbestimmt vor mich hin. »Natürlich, es ist schrecklich, was mit Lee passiert ist – und auch das, was er getan hat, ist entsetzlich. Aber ich habe das Gefühl, es mit der Zeit überwinden zu können. Weißt du, worüber ich am meisten nachdenke?«
»Worüber?«, fragte Adrian sanft.
Die Worte schienen ohne meine Kontrolle aus mir hervorzusprudeln. Ich hatte nicht erwartet, es jemandem zu erzählen, und gewiss nicht ihm.
»Über Lees Bemerkung, dass ich mein Leben vergeude und mich von Leuten fernhalte. Und dann hat er mir bei diesem letzten Treffen mit Keith gesagt, ich sei naiv und würde die Welt nicht verstehen. Was sogar in einem gewissen Ausmaß zutrifft. Ich meine nicht, dass ihr böse wäret … aber, hm, dass ich naiv bin. Ich hätte bei Jill vorsichtiger sein sollen. Ich hatte das Beste von Lee geglaubt, obwohl ich hätte wachsamer sein sollen. Ich bin kein Kämpfer – so wie Eddie – , aber ich bin ein Beobachter der Welt … oder zumindest glaube ich das gern. Doch ich habe versagt. Ich bin nicht besonders gut im Umgang mit Leuten.«
»Sage, dein erster Fehler bei dieser ganzen Sache ist der, dass du dir irgendetwas zu Herzen nimmst, das Keith Darnell gesagt hat. Der Bursche ist ein Idiot, ein Arschloch und noch viel mehr als das, was man in Gegenwart einer Dame wie dir nicht aussprechen sollte.«
»Siehst du?«, fragte ich. »Du hast ja selbst gerade zugegeben, dass ich so was wie eine unberührbare, reine Seele bin.«
»Ich habe nichts dergleichen gesagt«, widersprach er. »Ich will darauf hinaus, dass du Keith um Längen überlegen bist, und die Sache mit Lee war nichts als blödes, lächerliches Pech. Vergiss nicht, auch von uns hat es keiner kommen sehen. Da warst du nicht die Einzige. Das ist keine besondere Schande deinerseits. Oder … « Er zog die Augenbrauen hoch. »Vielleicht doch. Hast du nicht gesagt, dass Lee erwogen hatte, Keith zu töten, um an Alchemistenblut zu kommen?«
»Ja … aber Keith ist zu schnell verschwunden.«
»Na bitte, da hast du es! Selbst ein Psychopath hat deinen Wert so klar erkannt, dass er zuerst jemand anderen töten wollte.«
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. »Das hebt mit Sicherheit meine Stimmung.«
Adrian zuckte die Achseln. »Was ich eben gesagt habe, gilt trotzdem. Du bist eine in sich ruhende Person, Sage. Du bist nett anzusehen, wenn auch ein wenig mager, und deine Fähigkeit, dir nutzlose Informationen einzuprägen, wird irgendeinen Burschen absolut faszinieren. Schlag dir Keith und Lee aus dem Kopf, die haben nichts mit deiner Zukunft zu tun.«
»Mager?«, fragte ich und hoffte, dass ich nicht errötete. Außerdem hoffte ich, dass er, wenn ich nur entrüstet genug klang, nicht mitbekommen werde, wie sehr mich die andere Bemerkung entwaffnet hatte. Nett anzusehen. Es war zwar nicht direkt das Gleiche, als hätte er gesagt, ich sei ein fleischgewordenes Supergirl oder gnadenlos schön, aber nachdem ich mein Leben lang äußerlich als akzeptabel gegolten hatte, war es ein berauschendes Kompliment – vor allem aus seinem Mund.
»Ich sage es einfach so, wie es ist.«
Beinahe hätte ich gelacht. »Ja. Ja, das tust du. Jetzt erzähl mir etwas über ein anderes Thema, bitte. Das hier bin ich langsam
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