Bloodman
an seiner Bettstatt festgeschnallt war, damit er nicht seine ganz persönliche Maler-Werkzeugkiste auspackte und weitere Porträts mit dem Medium der Demenz malte. Er dachte an Dr. Sobel, der ein bisschen zu sehr klang wie Vincent Price, wenn er über das Entsetzen sprach, das seinen Vater quälte. Und dessen akademisches Kopfnicken irgendwie den Ãngsten seines alten Herrn mehr Gewicht zugestand, als Jake einsehen wollte. Da waren Madame und Klein X, Schwester Macready, Hauser und seine improvisierte Hurrikan-Einsatztruppe. Und der Mercedes seiner Mutter, der sich bereits im Labor in Quantico befand und seine Jungfräulichkeit unter den Wundern modernster forensischer Technik verlieren würde â gezwungen, sein Geheimnis nach einem Vierteljahrhundert endlich preiszugeben. Er dachte an den gottverdammten Leuchtturm auf dem Foto hinter Schwester Macreadys Schulter und an die gleichschenklige schwarze Blutlache in der Ecke ihrer Küche. An die Schönen und Reichen von Connecticut, deren Bild ein autistisches Mädchen im Wartezimmer eines Psychiaters mit Bonbons zusammengesetzt hatte. Er dachte an den heranrückenden Hurrikan und an Jeremys unheimlichen neuen Freund, den Mann im Boden, über den er nicht sprechen wollte. Und dann gab es noch etwa fünftausend Leinwände â ein obsessiv-zwanghafter Jackpot â, die sich im Atelier stapelten. Er dachte an das Cello seiner Frau und an Jeremys Hot Wheels. Und er wusste, dass er unbedingt hier wegmusste. So schnell und so weit wie möglich, ohne zurückzublicken, ohne jemals wiederzukommen oder noch einmal an diesen stinkenden Ort zu denken, solange er lebte.
Aber er hatte einen Sohn zu ernähren, also konzentrierte er sich erst einmal darauf, Thunfisch mit Mayo zu mischen und eine Prise Salz und Pfeffer hinzuzufügen. Er hätte gern noch Zwiebeln und ein wenig Sellerie gehabt, aber wie sein alter Herr immer gesagt hatte, man kann nur essen, was man tötet. Also würde es bei langweiliger Thunfischmayo bleiben, einem Glas Milch, zwei Cola, einem schnellen Nickerchen, und dann ging es los in die Stadt, in einem antiken Auto mit â¦
»Kay?«, sagte er, während er gleichzeitig einen Löffel Thunfischsalat auf ein Rechteck von krebserregendem WeiÃbrot klatschte. »Wir haben nicht genügend Platz für dein Cello. Es passt nicht in den Wagen, und wenn wir es auf den Dachgepäckträger schnallen, wird es nass.«
»S-C-H-E-I-S-S auf das Cello, Jake«, sagte sie. »Ich will nur noch weg von hier.« Sie stand auf der anderen Seite der Frühstückstheke, und das T-Shirt klebte an ihrem Körper wie eine zweite Haut. Die Kalligraphie ihrer Tätowierung bewegte sich unter dem weiÃen Baumwollstoff, als hätte sie ein Eigenleben. Jake wusste, was sie für das Cello empfand â es war das einzige materielle Objekt, an dem ihr etwas lag â, und ihre Bereitwilligkeit, es zurückzulassen, sagte ihm, wie dringend sie von hier fortwollte.
»Eigentlich sollte der Kasten doch luftdicht sein, oder? Ich werde die Ränder mit Isolierband zukleben â vielleicht hilft das. Es heiÃt, einer für alle â¦Â«
»Und alle für einen!«, schrie Jeremy aus dem Wohnzimmer.
»So ist es, Moriarty. Essenszeit. Wasch dir die Hände.«
Eine halbe Stunde später, während Jeremy sein Nickerchen machte, waren Kay und Jake mit Einpacken fertig. Es blieb ihnen noch ein bisschen Zeit, bevor sie Jeremy für die Heimreise weckten.
Kay hatte sich umgezogen und trug jetzt ein trockenes Hemd mit Motörhead in Sprayschrift quer über den Busen. Sie hatte keinen BH an, und ihre Brüste wippten bei jeder Bewegung unter dem Stoff. Sie sah Jake an und fragte: »Wie wärâs noch mit einem schnellen Nümmerchen, bevor wir uns auf den Weg machen?« Dann begann sie, sich aus den Kleidern zu schälen.
Zwanzig Minuten später lagen sie eng umschlungen auf den feuchten Laken. Der Pheromongeruch nach Sex hing schwer in der Luft, und die Atmosphäre war drückend vom Prasseln des Regens gegen das Fenster. Ein weiteres Blutgefäà in Kays linkem Auge war geplatzt, und Jake wusste, sie würde während der nächsten Tage bei den Proben eine Sonnenbrille tragen müssen â mit diesem Nebeneffekt ihres Sexuallebens hatten sie sich inzwischen abgefunden, und bei Leuten, die sie öfter trafen, gab sie es als Augenleiden aus. Die gelegentlichen
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