Bloodman
PattiâSmith-Album in einer der Lattenkisten unter der antiken, kühlschrankgroÃen Stereoanlage entdeckt, und Jeremy war voll in den Soundtrack vertieft, während seine imaginären Autounfallopfer ihrem Schöpfer zu den Klängen von âºRedondo Beachâ¹ gegenübertraten.
»Willst du Kaffee, Moriarty?«, übertönte Jake die Musik und trat in den Vorraum. »Einen groÃen Kaffee?«
Jeremy lachte. »Ich mag doch keinen Kaffee, Daddy. Ich will Milch oder Apfelsaft.«
Während er seinen Sohn betrachtete, der von seinen Spielzeugautos wie von glänzenden, metallischen Insekten umgeben auf dem Fliesenboden spielte, spürte Jake, wie es im Verstand des Jungen arbeitete, damit er die Ereignisse des Morgens vergessen konnte. Was ihn am meisten erschreckte, war, dass sein Sohn sich weigerte, darüber zu sprechen. Wovor hatte er Angst? Vor demselben Mann im Boden, der seinen Vater so in Panik versetzte? Handelte es sich um eine gemeinsame Halluzination, oder steckte etwas Greifbareres dahinter? Die Frage war leicht zu beantworten: Halluzinationen konnten seinem Sohn keine blutigen Fingermalereien von Totenschädeln ins Gesicht schmieren.
»Dann holen wir uns etwas zu essen«, sagte Jake unter Jeremys und Kays Applaus. »Ihr zwei seid leicht zufriedenzustellen.«
»Das sind wir, Leichtu-Friedu !«
»Na dann, Mrs Leicht â¦Â« â er zwinkerte Kay zu â »⦠und Mr Friedu , wie wärâs mit Thunfischsandwiches?«
Jake sah auf die Uhr. Es blieb noch eine Stunde Zeit, bevor die beiden in die Stadt zurückfuhren, und er wollte bis dahin so viele der Bilder katalogisiert haben wie möglich. Sie gingen ins Haus. Jake trug Jeremy in den Armen, und Kay legte sich Kamera und Stativ über die Schulter wie ein Speerträger. Sie knipste das Licht hinter sich aus.
Die ersten Ausläufer des Sturms waren angekommen. Eine wirbelnde Masse aus Grau und Weià hatte den Himmel verschluckt und die Küste mit heftigen Niederschlägen überzogen. Der Rasen war bereits mit Wasser vollgesogen, und der prasselnde Regen, aufgepeitscht von scharfen Winden, ätzte wechselnde Muster in die hohen Wellenkämme des Ozeans. Jeremy lachte, während Jake durch den Regen hastete und dabei in einer Moriarty-freundlichen Sprache fluchte, die ihn wie eine durchgeknallte Zeichentrickfigur klingen lieÃ. Jake hielt Kay die Tür auf, während er die Hand schützend über Jeremys Kopf wölbte. Wind peitschte ins Haus, und Staubteufel und Papierfetzen fegten in Mini-Wirbelstürmen durch die Gegend. Jake schlüpfte nach Kay ins Haus, während eine Bö die Tür hinter ihm zuknallte.
»Ich möchte wirklich nicht hier sein, wenn Dylan richtig loslegt, Jake.« Kay schraubte die Kamera vom Stativ.
In der Küche setzte Jake Jeremy ab und trocknete ihm die Haare mit einer Handvoll Küchentücher. »Lasst uns ein paar Sandwiches essen, dann machen wir uns auf den Weg. Was meint ihr?«
Jeremy gab sein Votum ab, indem er den Arm hochriss, und Kay nickte strahlend. »Und was wird aus dem Fall?«, fragte sie.
»S-C-H-E-I-S-S auf den Fall«, sagte er. »Wir hauen ab .«
Kays T-Shirt klebte nass an ihrem Körper, und ihre aufgerichteten Brustwarzen trugen ihr einen lasziven Blick von Jake ein. »Jedenfalls nach einem kleinen Nickerchen«, fügte er hinzu.
»Also, Kaffee, Moriarty?«
Jeremy schrie: »Ich sag doch, ich trinke keinen Kaffee!«
»Ach so, ja. Vergessen. Tut mir leid. Da muss ich an irgendeinen anderen kleinen Jungen gedacht haben.« Er bückte sich, küsste seinen Sohn und schickte ihn mit einem liebevollen Klaps auf den Hintern aus der Küche. »Spiel mit deinen Autos, und ich mache uns inzwischen etwas zu essen.«
Jeremy rannte ins Wohnzimmer und warf sich auf die vielfarbige Tapisserie der kreuz und quer liegenden Teppiche. Er angelte die Autos aus seinen Taschen und lieà sie über den Boden kullern wie Spielwürfel. Innerhalb von Sekunden gab es unzählige Tote zum wilden Gebrüll eines dreijährigen Dinosauriers.
Jake wusch sich die Hände und holte den Laib WeiÃbrot aus dem Kühlschrank. Dabei musste er wieder an die Mallomars denken. Und daran, was mit seiner Mutter vor so vielen Jahren geschehen war. An seinen alten Herrn, den das Entsetzen bis an den Rand der Hysterie getrieben hatte und der etwas von einem Bloodman kreischte. Und der jetzt
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