Bloodman
was der Kerl hinter dem Lenkrad sich dabei gedacht hatte â nur ein kurzer Schlenker über den Fahrbahnrand hinaus. Der Spiegel des Econoline hatte Aaron, der mit dem Fahrrad unterwegs gewesen war, am Hinterkopf getroffen. Tot bei Ankunft im Krankenhaus. Der Fahrer hatte, das musste zu seiner Ehrenrettung gesagt werden â und zum Glück für alle betrunkenen Fahrer, die Hauser später aus dem Verkehr zog â, angehalten, war ausgestiegen und hatte den Unfall gemeldet.
Inzwischen schleppte Hauser jenes zischende Kohlestück der Trauer, das ihn so lange begleitet hatte, nicht mehr ständig mit sich herum. Irgendwann war die Qual des Verlustes zu einem dumpfen Schmerz abgeklungen, der manchmal sogar ganz verschwand, wenn er etwas tat, was ihm Spaà machte, oder er sich konzentrieren musste. Wie durch ein Wunder war es ihm und Stephanie gelungen, die Jahre, die ihre Ehe schon hinter sich hatte, in eine Art Rettungsfloà zu verwandeln, statt die Flut der Trauer und Schuldzuweisungen irreparablen Schaden anrichten zu lassen. Ihre Ehe hatte überlebt. Sie konzentrierten sich ganz darauf, ihre Tochter groÃzuziehen. Machten weiter.
Hauser vermisste seinen Sohn jeden Tag, und eine Entfremdung wie die zwischen Jake Cole und seinem alten Herrn war etwas, das ihm einfach nicht in den Kopf wollte. Familien sprachen sich aus, sie stritten miteinander. Aber sie hielten zusammen. Ende der Diskussion.
Die roten Heckaugen des bremswütigen Fahrers vor ihm leuchteten erneut auf, der Wagen machte einen gefährlichen Satz nach rechts, streifte den Fahrbahnrand und fand dann mit einem Schlenker wieder Halt auf dem überfluteten Asphalt. Hauser verlagerte sein Gewicht, und seine nasse Regenhaut erzeugte ein furzartiges Geräusch auf dem Ledersitz. Er konnte seine Polizeileuchte anwerfen, den Idioten aus dem Verkehr ziehen und ihm eine Lektion erteilen, aber was würde das schon bringen? Wenn der Kerl nicht fahren konnte, änderte ein dreiminütiger Vortrag von einem wütenden Bullen mitten in einem Sturm auch nichts daran. Und angesichts der langen Karawane des Massenexodus wollte Hauser nicht riskieren, von einem der Fahrzeuge hinter ihm angefahren zu werden. Dann erreichte er die Abzweigung nach Mannâs Beach, und das entschied die Sache endgültig. Hauser blinkte, schaltete die Polizeileuchte ein und bog vom Highway ab.
Bald würde die blanke Hölle losbrechen, ein Alptraum direkt aus dem Alten Testament, wenn der Typ vom NHC auch nur halbwegs recht hatte, und Hauser war überzeugt davon. Die Jungs dort waren mit mehr Satelliten und wissenschaftlichem Gerät und Zeugs ausgerüstet, als man sich vorstellen konnte. Er erreichte das Tor, das die Halbinsel von den Touristen abschotten sollte â es stand offen.
Mannâs Beach war einer der wenigen Strände, die weitgehend den Einheimischen vorbehalten blieben â das Tor schreckte die Touristen ab (mit Ausnahme der Streifenbarsch-Angler, die im Frühjahr und Herbst ausschwärmten â diese Idioten hätten sich nicht einmal durch einen heiÃen Lavastrom davon abhalten lassen, den Haken nach dem ganz groÃen Barsch auszuwerfen). Scopes hatte Hauser angefunkt, so schnell wie möglich herzukommen. Er hatte auch nach Cole gefragt, aber Hauser war allein â er wollte es mit eigenen Augen sehen, mit seinen eigenen Instinkten fühlen, ohne dass Coles emotionslose Diktion dem Ganzen den Charakter einer akademischen Ãbung verlieh.
Die nächsten zwei Tage stand ein Hindernislauf von einem Notfall zum nächsten bevor. Dabei würden Autounfälle, Ertrunkene, eingestürzte Häuser und unterbrochene Stromleitungen noch zu den harmloseren gehören. Hauser war sich all dieser Dinge bewusst â als Sheriff musste er einen groÃen Teil seiner Ressourcen für den Kampf gegen den Sturm reservieren. Aber sie nahmen wesentlich weniger Raum in seinen Gedanken ein, als er je für möglich gehalten hätte. Es war der Kerl mit dem Messer, der ihn nicht loslieÃ.
Hauser schaltete die Suchscheinwerfer ein, und der Uferweg leuchtete grellweià auf. Er manövrierte vorsichtig durch den Regen und wusste nicht so recht, ob er froh oder angepisst sein sollte, dass er Scopes hierhergeschickt hatte. Der Bronco schwenkte um ein dichtes Gebüsch herum, und plötzlich sah er im Licht der Suchscheinwerfer eine Luxuslimousine. Scopes stand daneben und starrte das Fahrzeug an.
Hauser stieg
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