Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
Vom Netzwerk:
eine Skulptur des Schreckens. Die Kehle war ihr mit einem gewaltsamen, sägeartigen Schnitt durchtrennt worden, der von einem Schlüsselbein zum anderen reichte. Jacob hatte einundzwanzig Monate im Koreakrieg gedient, und der Tod war ihm nicht fremd, aber etwas an diesem Anblick verstörte ihn zutiefst und öffnete ein kleines Stück der Hölle. Er wandte den Blick ab.
    Da sah er die zweite Leiche. Sie gehörte einem Mann.
    Er hing wie ein Wintermantel an der Wand, an Ort und Stelle festgenagelt durch einen Harpunenschaft aus Edelstahl. Er hatte sich durch seine Brust gebohrt, und falls er das Herz verfehlt hatte, dann verdammt knapp. Blut tropfte herab, und das Wasser, das um ihn herumstrudelte, war schwarz und dick. Er hing mit gesenktem Kopf da, und das Licht, das von oben auf ihn fiel, warf einen langen Schatten, der ihn beinahe ganz einhüllte. Neben ihm steckte ein blutiges Messer in der Wand. Wahrscheinlich dasselbe Messer, das die Kehle der Frau durchschnitten hatte.
    Â»Herrgott«, flüsterte Jacob.
    Und da geschah es, dass das kleine Stück Hölle in ihm aufplatzte und ein Portal zu irgendeinem anderen Ort öffnete – einem bösen und finsteren Ort – und ein leises Geräusch herausgekrabbelt kam.
    Erst glaubte Jacob, es wäre das Ächzen des sinkenden Boots, vielleicht irgendein tragendes Teil seiner Konstruktion, das nachgab, aber er konnte sich nur eine Sekunde lang selbst belügen, dann musste er sich eingestehen, dass es ein menschlicher Laut war. Oder ein beinahe menschlicher Laut. Ein Stöhnen. Leise und schmerzerfüllt.
    Der an die Wand genagelte Mann hob den Kopf, und das Licht zeichnete seine Züge in scharfem Detail. Seine Zunge fuhr heraus und leckte über die Lippen. Er hustete, Blut triefte ihm aus der Nase. Er versuchte, etwas zu sagen, aber alles, was er zustande brachte, war das Geräusch seines Atems, der dem Körper entfloh, als wollte er nicht länger hierbleiben.
    Jacob zog sich auf die Koje, näher zu dem Mann hin. Er glitt aus und fiel zur Seite. Klatschte ins Wasser. Packte einen Handlauf, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Kämpfte sich nach oben.
    Die Haut des Mannes war von einem ätherischen Blau, und das Wasser um ihn herum wurde immer dunkler vom vergossenen Blut.
    Kein Wunder, dass sich der Hai hier herumtrieb.
    Jacob erreichte den Mann, hob die Hand und berührte sein Gesicht. Seine Augenlider flatterten. Es war kein Weiß in den Augäpfeln, nur ein intensives Scharlachrot in der Mitte, gespickt mit schwarzen Nagelköpfen der Furcht. » M… m… Mio …«
    Jacob hatte ein Jahr in Florenz verbracht und wusste, dass er Italienisch sprach. » Si? «, sagte er leise, und in der Kabine klang es wie ein Zischen.
    Der Mann spuckte noch mehr Blut aus und krümmte sich vor Schmerz zusammen. » Mi… mi… mio figlio «, hauchte er, kaum mehr als ein Wispern. Mein Sohn.
    Und Jacob durchblätterte das italienische Wörterbuch in seinem Kopf. » Che cosa? « Was?
    Der Mann versteifte sich, und seine Brust hob und senkte sich ein letztes Mal krampfartig, bevor er einen Strahl von Blut ausspuckte, der das Wasser aufspritzen ließ. Dann sank sein Kopf wieder auf die Brust.
    Jake wusste, dass er tot war. Was zum Teufel hatte er gemeint? Sein Sohn? Was …?
    Und dann verstand er. Aber von irgendwo weit unter der Wasserlinie kam ein gewaltiges Ächzen, und das Boot erbebte und sackte noch ein paar Grad steiler ab. Das Wasser in der Kabine brodelte, stieg bis über Jacobs Brust hoch, und die tote Frau glitt mit einem roten Platschen von ihrer Koje.
    Jacob riss Türen auf, zog Schubladen heraus. Der größte Teil der Kabine lag unter Wasser, so dass ihm nicht viele Möglichkeiten blieben. Er hoffte, dass er recht hatte – dass er den Mann richtig verstanden hatte. Der Wasserspiegel stieg schnell, und Blut strudelte um ihn herum, machte das Wasser schmierig. Er suchte fieberhaft, während sich die Lufttasche mit gewaltigen, gurgelnden Druckwellen mit Wasser füllte. Er riss Türen auf, Schubladen und Stauräume.
    Das Boot ging unter. Ihm blieben nur ein paar Sekunden, höchstens eine halbe Minute, bevor die Jacht vollständig unter die Wasseroberfläche glitt und ihren unaufhaltsamen Abstieg in den Tiefseegraben beinahe 7000 Meter weiter unten begann.
    Ãœber der Hauptkoje befand sich eine kleine Kiste, ein Stauraum für Kissen und Bettzeug

Weitere Kostenlose Bücher