Bloodman
Stücke neugierig mit der Nase an.
Sie beobachteten ein paar Sekunden lang, wie der Hai durch das verstreute Treibgut schwamm und mit seiner dreieckigen Rückenflosse das blaue Wasser durchschnitt. Er stieà gegen eine Rettungsweste, versetzte einem Stück Holz einen Probebiss und tauchte dann ab.
»Was ist da los?«, fragte Mia. Sie zog Jacobs Hemd über ihren Bikini an. Es ging ihr bis zur Mitte der Oberschenkel.
»Etwas Schlimmes«, erwiderte Frank leise.
»Ich gehe an Bord«, sagte Jacob. »Wenn ihr andere Schiffe am Horizont seht, schieÃt in die Luft.«
Sie brachten ihr Boot â eine neunzehn Meter lange Werf Gusto, die Jacob auf den Namen The Forger getauft hatte, der Fälscher â längsseits zu der sinkenden Jacht. Blasen stiegen unter der Wasserlinie auf, und man hörte ein leises Gurgeln, das von allen Seiten zugleich zu kommen schien. Sie machten eine Leine an einer Klampe des anderen Bootes fest, und Jacob stieg hinüber. Als er den Fuà auf die sinkende Jacht setzte, drehte er sich zu Frank um. »Wenn die Kiste untergeht, warte, bis sich die Leine spannt, bevor du sie durchschneidest.«
»Und wenn du noch an Bord bist?«
Jacob sah an Frank vorbei Mia an und lächelte. »Wenn ich schwimmen muss, halte die Thompson bereit und erschieà den verdammten Hai, falls er zurückkommt.«
»Geh durch das vordere Luk rein«, sagte Mia.
Jacob schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Genau da hält sich eine Luftblase. Wenn ich das Luk öffne, strömt das Wasser nach und das Ding sinkt wie ein Stein. Ich will sehen, ob noch jemand an Bord ist.«
Mia warf ihm einen Blick zu, der besagte: Sei vorsichtig .
Jacob trat auf das steil abfallende Deck und stellte einen Fuà auf die Vorderwand der Kabine, um das Gleichgewicht zu halten. Er tauchte die Maske ins Wasser, leerte sie und rieb etwas Spucke auf das Glas, damit es nicht beschlug. Er trug immer noch seine Bermudashorts, und die Waffe, die seine Tasche ausbeulte, lieà es so aussehen, als wäre sein Bein mit riesigen Schrauben befestigt. Mit dem Grabendolch im Gürtel und der Maske auf dem Kopf sah er im Bug des todgeweihten Segelschiffs aus wie der Ãberlebende eines Schiffbruchs. Er lieà sich das Deck hinab ins Wasser gleiten.
Jeden verfügbaren Griff nutzend, hangelte er sich bis zum Kajütniedergang. Er lieà sein Ziel nicht aus den Augen, achtete aber auch darauf, was am Rand seines Blickfelds geschah, falls der Hai zurückkam. Der Kajüteingang lag unter Wasser, und er würde drinnen im Fünfundvierzig-Grad-Winkel hinaufklettern müssen. Jacob machte sich eine geistige Notiz, damit er nicht die Orientierung verlor und ertrank, bevor er die eingeschlossene Luftblase erreichte. Er schlängelte sich durch ein Gewirr von Tauen und tauchte in den Niedergang zur Kajüte.
Die Tür war aus den Angeln gerissen. Trümmer umgaben den Eingang. Er zog sich waagrecht über die Leiter hinein, was sich irritierend und falsch anfühlte.
Seekarten, Kleider und Holzstücke trieben schwerelos in der Kajüte. Jacob stieà sich ab und schwamm aufwärts Richtung Bug, zu der Luftblase, die das Boot über Wasser hielt.
Er fand eine kleine Lufttasche und atmete ein paarmal flach durch, dann füllte er seine Lunge und bewegte sich weiter hinein in den Rumpf des Bootes.
Hier drinnen klang das gurgelnde Geräusch lauter, unmittelbarer.
Papiere, Bücher, Flaschen, Taue und Kleidung trieben vorbei, nahmen ihm die Sicht und desorientierten ihn. Er bewegte sich weiter nach oben, durch die Kombüse und an zwei Schlafkabinen vorbei â beide waren leer, bis auf das Treibgut, das überall in dem überfluteten Boot herumschwamm. Die Tür zur letzten Kabine im Bug war geschlossen. Er zog daran, aber sie war versperrt.
Jacob stieà die Klinge seines alten Armeemessers in den Türspalt und schlug mit der Handwurzel auf den Knauf, um es hineinzutreiben. Er riss die schwere Klinge zur Seite, und die Tür öffnete sich mit einem lauten Knacken, bei dem das ganze Boot zu erzittern schien. Er schwamm durch die Ãffnung hinauf in die Hauptkabine und durchstieà mit dem Kopf die Wasseroberfläche in der Luftblase.
In einer der Kojen lag eine Leiche â blutüberströmt. Es war eine Frau gewesen. Jetzt hatte sie den Mund zu ihrem letzten Schrei aufgerissen, die Augen nach oben verdreht, die Finger zu blutigen Fäusten geballt,
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