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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
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werfen konnte, wie er taumelte und in einem unbeholfenen Durcheinander aus zuckenden Armen und Beinen zu Boden ging, weil keine Software mehr da war, um ihm zu sagen, was er tun sollte, und dann würde das Licht ausgehen und …
    Â» SCHLUSS DAMIT !«, brüllte Jake, und die Worte spritzten heraus wie die schwarze, heiße Galle in seinen Herointagen. Er zwang sich, in den Bauch zu atmen, wo der Sauerstoff am beruhigendsten wirkte.
    Es liegt vor dir.
    Such danach.
    Das tue ich doch.
    Nein, machst du nicht.
    Hör zum Teufel endlich auf damit!
    Klar. Sobald du es herausgefunden hast. Hexendoktor, dass ich nicht lache.
    So habe ich mich nie bezeichnet.
    Damals warst du auch noch gut darin, die Dinge klar zu sehen.
    Ich kann es schaffen. Es dauert nur ein bisschen.
    Du hast keine Zeit. Er kommt.
    Wer?
    Er.
    Jake kniff sich in die Nasenwurzel und beschloss, dass es Zeit wurde, zu Bett zu gehen. Es war beinahe zwei Uhr morgens. Er war kein großer Schläfer, nie gewesen, aber heute, da der Defibrillator Fehlzündungen gehabt hatte wie eine Benzinpumpe voller Gremlins, musste er dem alten Korpus eine Auszeit gönnen. Vor allem, weil morgen wieder ein knallharter Tag vor ihm lag. Er schaltete das Licht im Atelier aus und schloss die Tür hinter sich.
    Draußen war der Wind noch stärker geworden, die Dünung brach sich inzwischen schon, bevor sie auf den Strand auflief, hässliche weiße Streifen auf dem schwarzen Ozean wie aufplatzende Brandblasen. Der Mond erstickte irgendwo hinter den Wolken, und zum ersten Mal bemerkte Jake, dass sich das Wetter jetzt wie im Zeitraffer verschlechterte.
    Er betrat das Haus durch die Vordertür und betätigte ein paar Lichtschalter. Die Nakashima-Konsole leuchtete auf, als ein heller Punktstrahler die sphärische Skulptur – Polyeder, hatte sein Vater ihn einmal angebrüllt – in scharfem Kontrast hervorhob. Sein alter Herr hatte sie selbst gebaut – nein, bauen war das falsche Wort, erschaffen traf es eher. Draußen im Atelier, mit Hilfe von mehr als hundert Harpunenschäften aus Edelstahl und dem festen Entschluss, das WIG -Schweißen zu erlernen. Die Sphäre wirkte unter dem Punktstrahler wie ein Konstruktionsmodell der NASA , einsam und verlassen, ein Schrein für das einzige Experiment seines Vaters mit dreidimensionaler Kunst. Jake ließ den Finger über das Stahlgerüst gleiten und zog eine Linie faserigen, schmierigen Staubs ab. Das Stück schien unter seiner Berührung beinahe zu erzittern, so lange hatte es einsam gelebt.
    Kay hatte beim Aufräumen ganze Arbeit geleistet und sogar ein paar Untersetzer auf den Couchtisch gelegt. Jake musste über diese Geste lachen. Die Tischplatte war übersät mit Zigarettennarben und Glasrändern, die in die Luft starrten wie leere Augenhöhlen. Das große Chuck-Close-Porträt mit den ausgeschnittenen Augen lehnte am Steinway seiner Mutter wie eine ödipale Mahnung.
    Irgendetwas an dem Bild ließ Jake keine Ruhe, und es machte ihn wahnsinnig, dass er nicht dahinterkam. Er hätte es gern als Stresssymptom verbucht, aber das Unvermögen, die Puzzleteilchen richtig zusammenzusetzen, war ihm in letzter Zeit nur allzu vertraut, und er fürchtete, es könnte sich zu einem dauerhaften Handicap entwickeln. Er hasste es, blind zu sein. Es war ähnlich schlimm, als wäre Kay das Trommelfell geplatzt und sie könnte ihr Cello nur noch hilflos anstarren. Er sah auf das versenkte Wohnzimmer hinab und studierte die beschädigte Leinwand.
    Chuck Close war gezwungen gewesen, seine Maltechnik komplett umzustellen, weil das Pech im genetischen Würfelspiel ihn einen Großteil seiner motorischen Fähigkeiten gekostet hatte. Seine frühe, fotorealistische Technik wurde abgelöst von verpixelten Porträts, die er mit kleinen Farbblöcken erzeugte. Close hatte sich buchstäblich neu erfunden, indem er seinen eigenen Programmcode umschrieb.
    Jacob Coleridge betrachtete Chuck Close als einen der wahrhaftigsten amerikanischen Maler der Geschichte. Und das wollte etwas heißen bei einem Mann, der dafür bekannt war, alles zu hassen. Selbst seine eigene Familie.
    Trotzdem hatte er die Augen aus dem Bild herausgeschnitten.
    Nicht gerade das, was man von jemandem erwartet hätte, der ein Museum mit der Axt in der Hand verteidigen würde.
    Jake löschte das Licht und machte sich auf den Weg nach oben in die Stille.

40
    Jake tappte leise

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