Bloodman
durch die Diele und ging auf Zehenspitzen an seinem alten Zimmer vorbei â das jetzt vorübergehend Jeremy gehörte â zum Hauptschlafzimmer. Die Tür stand offen, und Kay saà mit überkreuzten Beinen auf dem Bett. Sie hielt einen schweren Atlas aufgeschlagen im SchoÃ.
»Hey, Baby«, sagte sie und blickte von dem Wälzer auf.
»Ich dachte, du schläfst schon.« Jake zog die Tür halb hinter sich zu.
Sie kicherte. »Klaro. Natürlich. Vor der Tür parkt ein Cop, ein Hurrikan rückt an wie das Jüngste Gericht, und du erwartest, dass ich mich einfach ausklinke.«
Er lächelte. »Ja, tue ich.«
Sie schloss das Buch und legte es vorsichtig neben dem Bett auf den FuÃboden. »Wenn man den Nachrichten im Radio glauben darf, ist Dylan unglaublich groÃ.« Sie deutete auf den Atlas. »Siebeneinhalb Zentimeter. GröÃer als die meisten Länder, mein Freund.« Kay schaltete das Licht aus, und der Raum erlosch zu Grau.
Doch das Nachtlicht in der Diele warf einen sanften Schein ins Zimmer, und Jakes Augen passten sich schnell an das Dunkel an. Er setzte sich auf die Matratze und öffnete seine Stiefel.
Erst da fiel ihm auf, dass sie die Barrikade weggeräumt und einen Pfad zum Bett freigelegt hatte. Selbst im Dämmerlicht sah er, dass die alten Kleider und Plastikverpackungen fort waren. Die Laken waren glattgezogen, faltenlos und rochen nach Weichspüler. Das ganze Zimmer duftete frisch gewaschen. Sie hatte ohne seine Hilfe eine Menge geschafft, und ein leises Schuldgefühl nagte an ihm, weil er sie überhaupt hatte herkommen lassen. »Tut mir leid, dass es so spät geworden ist.«
»Hat dein Tag wenigstens noch gut geendet?«
Was sollte er darauf antworten? Sicher, ich habe schnell noch eine Wand eingetreten. Das kostet mich bestenfalls vier Riesen für Reparaturen, schlimmstenfalls eine Anklage wegen Vandalismus und Zerstörung von Privateigentum. »Alles lief glatt. Ziemlich jedenfalls.« Sein Stiefel plumpste zu Boden. »Und was habt ihr zwei noch gemacht?«
Kay kicherte. »Heute Abend war ein echter Brüller. Ich musste Jeremy erklären, wo das WeiÃbrot hingeht, wenn man es in den Toaster steckt. Und wo anschlieÃend der Toast herkommt. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen. Es war köstlich.«
Jake lachte, während sein anderer Stiefel zu Boden fiel. »Mann, ich weià genau, wie er sich fühlt.«
»Jake?«
Er wusste, worüber sie mit ihm reden wollte. »Der Mann im Boden?«
»Das gefällt mir gar nicht.«
Jake wollte ihr sagen, dass auch er sich dabei unbehaglich fühlte, als läge ihm eine Mahlzeit schwer im Magen. Aber er fragte nur: »Er war wieder da?«
»Heute Nacht, als ich ihn eingeschläfert habe â¦Â«
Jake verdrehte die Augen. Warum musste sie das unbedingt so ausdrücken?
»⦠da hat er mich gefragt, ob der Mann im Boden ihn im Schlaf besuchen kommt.«
Jake spürte, wie sich seine Haut spannte, und machte sich auf einen Stromschlag im Maschinenraum gefasst. Wie mit einem einzigen, gewaltigen Windstoà schien es ihm alle Feuchtigkeit aus dem Körper zu saugen, und seine Knochen kratzten am Innenleder der Haut. Er drehte sich zu Kays schemenhafter Silhouette um, die sich undeutlich in der Dunkelheit abzeichnete.
»Er sagt, dass der Mann im Boden â er nennt ihn immer Bud oder Kumpan â von uns enttäuscht ist.« Sie schluckte. »Er behauptete, dass der Mann im Boden kein âºunsichtbarer Freundâ¹ ist, nicht nur in seiner Phantasie existiert. Ich fürchte, er spinnt ein bisschen.«
Jake hörte eine unausgesprochene Anklage in ihrem Tonfall. SchlieÃlich schienen geistige Krankheiten fest in seiner Hälfte der DNA verankert zu sein. Er stand auf und trat ans Fenster. Der letzte schwache Schein des Mondes war verschwunden, und der Ozean legte jetzt ernsthaft seine Kriegsbemalung auf. Die Wellenhöhe hatte schon lange den Punkt überschritten, an dem eine Warndurchsage für kleine Wasserfahrzeuge erfolgte. » Enttäuscht? Kumpan? Das ist nicht die Ausdrucksweise eines Dreijährigen. Er probiert etwas aus. Er spinnt nicht. Vielleicht braucht er das, um mit seinem Leben zurechtzukommen.«
»Zurechtzukommen? Womit denn? Was stimmt nicht an Jeremys Leben? Du arbeitest zu viel, gut. Aber das tun auch andere Väter. Ich habe unregelmäÃige Zeiten. Aber wir verbringen
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