Bloodseal: Flucht ins Ungewisse (German Edition)
Händen und gab ihr ein Zeichen, das „Keine Zeit!“ bedeutete.
Sie lächelte mich verlegen an, dann verschwand sie in der Menge und ich ließ mich von den anderen zur Hintertür treiben.
Draußen war die Luft kühl. Mein Atem stieg in Form einer Wolke von meinem Mund auf.
Ich fühlte mich bereits jetzt völlig ausgelaugt und schläfrig, dabei war es gerade mal kurz nach Mitternacht.
Hier war die Musik fast genauso laut wie in den verrauchten, nach Hasch und anderem Zeug stinkenden Räumlichkeiten des Clubs.
Etliche aufgemotzte Karren und Bikes standen in Reih und Glied vor dem Gebäude. Manche hatten ihre umgebauten Boxen voll aufgedreht, bis die gesamte Karosserie vibrierte. Irgendwo links von mir hörte ich ein Bike aufheulen, dann Reifen quietschen. Ein Rennen. Das machten sie jeden Abend um diese Zeit.
Ich ging durch die gaffenden Gruppen, die unter die Haube eines jeden schauen mussten, nur um zu wissen, wie so ein Motor überhaupt aussah oder wie bunt er sein konnte.
Ich nickte Josh und Mal zu, die beide mindestens fünfzehn Jahre älter waren als ich und dennoch darauf bestanden, dass ich mit ihnen mal ein Rennen fuhr. Daraus wurde aber nie etwas. Ich konnte zwar mit einem Auto und auch mit einem Bike fahren, aber ich hatte kein Auto und mein neues Bike war mir zu viel wert, als dass ich es hier zu Schrott fahren würde. Ich hatte es von Ben und Linda zu meinem Sechzehnten bekommen.
Jemand klopfte mir auf die Schulter. Ich drehte mich reflexartig um, wehrte die Hand ab und hätte Seth Milligan beinahe mitten ins Gesicht geschlagen. Hier durfte man sich eben nicht viel gefallen lassen.
Der schwarz gelockte junge Mann vor mir hob resignierend die Hände. Ein schwacher Dreitagesbart zierte sein Kinn und einen Teil seiner Wangen. Eine seiner Brauen war vollständig mit silbernen Piercings verdeckt, in seinem Ohr steckte ein schwarzes, hornartiges Plug und in seinem rechten Nasenflügel hatte er einen bronzenen, schmalen Ring. „Ganz ruhig, Junge“, sagte er mit einem Lächeln. Wenn er sprach, konnte man in seiner Zunge ebenfalls einen silbernen Stecker entdecken. Er hatte noch viel mehr davon, aber das konnte man auf den ersten Blick nicht sehen.
Er hatte schmale Schultern, aber den Eindruck eines Schwächlings vermittelte er dadurch keinesfalls. Man erkannte sofort, dass er einen auf die Matte legen konnte, wenn er wollte.
Der altbekannte Duft frischer Zigaretten strömte mir entgegen. Der Drang selbst eine anzustecken war verlockend, aber ich hatte keine Zeit für so was.
Seth streckte mir seine Faust hin und wir stießen unsere Knöchel aneinander. Wir hatten uns seit Tagen nicht gesehen. Immerhin war ich einem Engel begegnet, da vergaß man schon mal Alltägliches. Sie konnte mich aus meinem fragwürdigen Leben retten. Ich wollte den ganzen Mist nicht mehr. Das hier war nur eine Flucht vor mir selbst. Ich hasste diese Lebensart, die Menschen und dass ich zu ihnen gehörte. Doch Seth … Er war wie ein Bruder für mich und würde es auch immer bleiben.
„Hey, Matt, hast du Cloe gesehen?“, fragte Seth, schob den Ärmel seines linken Arms hoch und entblößte eine Rune auf seinem Handrücken. „Ich denke, sie hat irgend ’nen Schwachsinn vor. Redet die ganze Zeit davon, dass sie es heut tun wird. Was auch immer ‚ es‘ sein soll …“ Er kringelte eine Locke mit dem Finger. „Das gefällt mir nicht.“
Das war typisch für ihn. Er machte sich wie immer Sorgen um seine Leute.
Ich zuckte unschuldig mit den Schultern. „Keine Ahnung, Mann.“ ‚ Wenn der wüsste …‘
„Egal, darum kümmer ich mich später“, meinte er nach einer kurzen Pause des Denkens. „Wo warst du die ganze Zeit? Dachte, ich muss dich schon suchen lassen.“
Was eine unheimliche Aussage war, denn er hätte mich bestimmt gefunden.
Das Bild vor mir flackerte. Seth war einen Moment verschwunden und ich sah Amanda vor mir. „Ich werde mit ihr gehen“, hörte ich meine Stimme aus der Dunkelheit. „Endgültig!“
So schnell ich konnte, rannte ich durch den neonbeleuchteten Gang der hotelartigen Anlage. Wie oft war ich ihn an ihrer Seite gegangen. ‚ Dieses dreckige Stück!‘
Bis jetzt dürfte noch niemand mitbekommen haben, dass Amanda in dem Schrank eingesperrt war. Hoffentlich blieb das noch etwas länger so.
Ich musste drei Stockwerke nach unten. Das würde ich schon irgendwie unbemerkt schaffen, oder?
Und dann? Wo würde ich hingehen? Zurück zu Seth? War fraglich, ob der mich wieder aufnehmen würde
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