Blue
war es ruhig.
Tom hatte seinen freien Tag und David schob heute Dienst an der Tür. Mit einem Nicken öffnete er ihr. Blue verspürte einen kurzen Stich im He r zen, weil Tom nicht da war. Sie hatte ihn bisher nie bewusst vermisst, wenn er seinen freien Tag hatte. Aber nach vergangener Nacht konnte sie sich nichts mehr vormachen. Er war ihr wichtig.
Ihre erste Tat war die Kontrolle der Toiletten und die Überprüfung der Vorräte hinter der Bar. Danach ging sie zu den Mädchen. Lucinda, die Ch e fin, zog sich gerade um. Sie war feingliedrig mit endlos langen Beinen und hatte das Gesicht eines Engels. Mit ihren langen blonden Haaren hätte sie durchaus als Topmodel durchgehen können. Allein ihre Augen zeugten von den Dingen, die sie in ihrem Leben bereits erlebt hatte. Die anderen fünf Professionellen trudelten nacheinander ein und bereiteten sich auf ihre Schicht vor .
„Hi , Lucy.“
Die Vampirin lächelte Blue freundlich an. „Guten Abend , Blue. Wie geht es dir?“
Blue wurde das Herz leicht . Wahrscheinlich war Lucy das, was einer Freundin nahekam . Die E inzige, der sie sich anvertrauen würde, sollte sie es brauchen . „Gut , danke. Ist bei euch alles im grünen Bereich?“
Sie nickte. „ W ir haben , was wir brauchen. Andernfalls hörst du von uns.“
Nachdem Blue sich davon überzeugt hatte, dass alles in Ordnung war, ging sie zu Boss.
Er saß wie üblich hinter seinem Schreibtisch und schob Papierstapel von links nach rechts. Sein Büro war schlicht eingerichtet. Ein Schreibtisch, zwei Stühle davor, ein Bürostuhl dahinter, zwei Aktenschränke, Laptop mit Dr u cker und, was nur er und Blue wussten, einen hinter der Wandtäfelung ve r steckten Safe.
Nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, sah sie , dass neben dem Schreibtisch zwei Sporttaschen auf dem Boden standen. Neutral, schwarz, mit Reißverschluss.
Boss schaute zu ihr hoch, legte den Stift beiseite und grinste sie verschl a gen an. Seine spitzen Fänge blitzten hinter seinen Lippen hervor und veru r sachten ihr wie immer eine Gänsehaut. Wie oft hatte er sie in ihre Haut g e schlagen? Und nicht nur in ihre. Sie wagte es, ihm in die Augen zu schauen und zuckte kurz zusammen. Dieser Ausdruck erinnerte sie an jemanden. Sie kam nicht drauf . Er bemerkte ihren Blick und hob die Augenbrauen.
„Was ist?“
„ N ichts . Was hast du für mich?“
Boss stand auf, rückte das Jackett seines Hugo Boss-Anzugs zurecht und kam um den Tisch herum. „Du hast Angst vor mir, stimmt’s?“
Sie zuckte mit den Schultern. Was sollte sie denn sonst tun? Sie konnte i h re Gefühle für ihn kaum in Worte fassen. Einerseits hasste sie ihn für das , was er von ihr verlangte. Den nicht einvernehmlichen Blutaustausch, den Tod und den Schrecken, den sie in seinem Namen verbreiten musste. Sie wollte nicht, dass man sie als gewissenloses Monster sah. Es war doch nur ihr Job, den sie erledigte und dabei hatte sie keine Wahl.
Ander er seits war sie ihm unendlich dankbar, dass er für sie da gewesen war , als ihr niemand anderes helfen konnte. Irgendwie waren ihre Gefühle für ihn wie für einen Vater, weswegen es sich so falsch anfühlte, wenn er mit ihr … Nicht, dass sie jemals erfahren hatte, wie es war , einen Vater zu haben, den man lieben konnte. Sie war als Waise bei Pflegefamilien aufgewachsen. Aber Angst? Nein, Angst hatte sie keine. Sie hatte lediglich einen überleben s fördernden Respekt vor ihm.
„Du musst keine Angst vor mir haben, ich werde dir nichts tun“, sprach er weiter, „vorausgesetzt, du tust, was ich von dir erwarte.“
Wusste sie doch, dass seine Aussage einen Haken hatte. Die Worte lagen ihr auf der Zungenspitze, doch sie konnte sich gerade noch beherrschen.
Dann widmete er sich den Sporttaschen. „Hier ist das Geld für das heutige Geschäft. Die Kolumbianer liefern dreißig Kilo reines Kokain. Du nimmst den Fetten Freddy mit. Er soll das Zeug testen. Ich bin nicht gewillt , bei einer Transaktion dieser Größe über den Tisch gezogen zu werden.“
Sie nickte. Dann zog Boss die Schreibtischschublade auf und warf ihr e i nen Autoschlüssel zu. „Du nimmst den Golf und fährst über die A3 zum üblichen Rastplatz. Dort werden sie dich in einem Audi A6 erwarten.“
Als Blue mit dem Fette n Freddy auf den Rastplatz fuhr, stand der Audi b e reits da. Bevor sie ausstiegen, griff sie nach ihren Waffen und löste die Halt e rungen. Nur für den Fall der Fälle … Dann verließen sie den altertümlichen Golf III
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