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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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Vanille!«, sagt er und reicht jedem der Mädchen eine Tüte. Sie machen artige Knickse. Jedes öffnet gleich sein Briefchen und saugt den Duft ein.
    »Den Tüten, die ihr da habt, denen trau ich nicht so ganz, seid mir nicht böse«, erklärt er und deckt den Beiwagen wieder ab, zieht seine Lederkappe auf und steigt auf das Motorrad. »Wisst ihr nicht, dass es jedem einzelnen Haar wehtut, wenn man es abschneidet? Fingernägel bluten, auch wenn man es nicht sieht. Und Sand und Kieselsteine schreien, wenn man auf sie tritt. Da muss man nur die Ohren spitzen.«
    Die Mädchen kichern.
    »Ihr wisst ja gar nichts«, ruft er freundlich. »Möchte nur mal wissen, wer euch solche Tüten gibt. Aber ich hab es eilig. Sagt der Frau Pensionatsleiterin bitte, dass sie das Brot auch nächstes Mal bezahlen kann.«
    Er tritt das Motorrad an. Es lärmt und qualmt.
    Die Mädel winken mit den neuen Tütchen. Der Mann lenkt das Gespann in einem weiten Bogen über den Hof und verschwindet laut böllernd in einer gelben Wolke, die hinauf zum sommerblauen Himmel steigt.

ERSTER TEIL
    Haus Ulmengrund

Lambarene
    M ein Vater ist Arzt, meine Mutter Krankenschwester«, erzählte Reni flüsternd. »Sie arbeiten in Afrika und heilen Neger von seltenen Krankheiten, deshalb haben sie keine Zeit für mich und darum lebe ich hier mit euch zusammen in Haus Ulmengrund. Ich finde das nicht schlimm. Das Urwaldspital von Doktor Schweitzer 1 ist hundertmal wichtiger als ich.«
    Mit diesen Sätzen begann sie fast jede ihrer Geschichten, nachdem eine der Erzieherinnen allen Mädchen eine Gute Nacht gewünscht und im Saal das Licht ausgeknipst hatte.
    Reni redete so leise, dass nur ihre Freundinnen es hörten: Karin in dem Bett gleich über ihr, Janka und Friederike im linken, Monika und Hilde im rechten Etagenbett. Die anderen schliefen fest.
    »Im Moment ist Doktor Schweitzer auf Reisen«, fuhr sie fort. »Er benötigt dringend ganz viel Wellblech, weil es überall hereinregnet. Die Dächer der Hütten sind aus Schilf. Mein Vater hat die Leitung des Spitaldorfs übernommen, solange der Oganga fort ist, so nennen die Neger den Urwalddoktor. Papa
steht kurz vor der Entdeckung eines Mittels gegen eine heimtückische Durchfallkrankheit, die man bekommt, wenn man bestimmte Urwaldbeeren isst.«
    »Die Neger wissen doch bestimmt, dass diese Beeren giftig sind«, wandte Friederike von links oben ein.
    »Ja, aber die Beeren werden von Tieren gefressen und die Neger essen eben diese Tiere.«
    »Au weia«, sagte Janka im Bett unter Friederikes viel zu laut. Man konnte im Dunkeln hören, wie sie sich auf den Mund schlug.
    »Mein Vater meint«, erzählte Reni weiter, »dass auf den Beeren Bazillen leben, die die schlimmsten Feinde in Lambarene sind. Weil es in Afrika keinen Winter gibt, werden sie nie von der Kälte abgetötet, sondern vermehren sich immer weiter.«
    »Und was ist mit den Blättern und dem Laub?«, fragte Monika von rechts.
    »Die bleiben in Afrika immer an den Zweigen, Dummerchen«, sagte Hilde über ihr. »Das hat uns Reni doch gestern erklärt. Wahrscheinlich bist du wieder eingeschlafen.«
    »Überhaupt nicht!«, zischte Monika.
    »Reni, erzähl uns von der schwarzen Bubenschule, bitte«, flüsterte Karin herunter. »Wie furchtbar schwarz die Negerjungen alle sind.«
    »So kohlrabenschwarz«, sagte Reni, »dass man sie in der Nacht nicht sieht, selbst wenn sie im Dunkeln ganz nah an einem vorüberschleichen.«
    »Aber sie stinken doch«, vermutete Janka.
    »Nicht mehr als du, wenn du morgens gähnst«, zischte Hilde herunter.
    Die Mädchen lachten.

    »Sie stinken, weil sie eine fremde Rasse sind, das weiß doch jeder«, erklärte Monika.
    »Und weil sie dort keine Wasserhähne haben, so wie wir«, fügte Reni hinzu. »Es gibt für alle nur einen einzigen tiefen Brunnen und das Flusswasser.«
    »Drüben auf dem Schlömerhof gibt es für das Gesinde auch nur einen Brunnen«, sagte Karin. »Deshalb stinkt dein Jockel ja auch wie ein Neger.«
    »Er ist nicht mein Jockel«, versetzte Reni und lenkte das Interesse schnell wieder auf das Urwaldspital. »Papa sagt, dass es die Neger viel länger auf der Erde gibt als uns. Natürlich sind sie primitiver, das sieht man ja sofort.«
    »Man sieht auch, dass sie viel an der Sonne sind«, tuschelte Janka. »Jockel ist fast genauso schwarz, findest du nicht?«
    »Halt lieber deinen Mund, Janka«, schimpfte Reni. »Sonst merken die anderen, dass du bloß eifersüchtig bist.«
    »Pah!«, machte Janka.
    Die andern

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