Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
Drei Gründe für dieses Buch
Grund 1: Spaghetti mit Schere
Es begann bei Hannes Steilmann. Ich war 15 Jahre alt und nach der Schule bei ihm zu Gast, und seine Mutter kochte uns Spaghetti mit Tomatensoße – seit jeher ein sehr preiswerter und effizienter Weg, ausgehungerte Teenager für ein paar Minuten zum Schweigen zu bringen. Jedenfalls ließ Frau Steilmann die Nudeln abtropfen, dann warf sie sie zurück in den Topf, und das Geräusch, das doch normalerweise eher wie »Wusch« klingt, war ein überraschendes »Klonk«. Dann rührte sie mit beiden Händen die Soße hinein, was mir auch recht merkwürdig vorkam, denn ich hörte, wie sie dabei schwer atmete.
Die Spaghetti, handelsübliche Supermarktware, waren so verklumpt, dass uns Frau Steilmann ungerührt mit einer großen Küchenschere tellergerechte Portionen zurechtschnitt . Ich schaute Hannes an, der aber nicht reagierte. Es schien
ein völlig normaler Vorgang im Hause Steilmann zu sein. Mir war es ziemlich peinlich, wobei mir als Teenager sowieso alles peinlich war, beispielsweise damals, als ich meine erste Freundin mit nach Hause brachte, und mein Opa aus seinem Gartenstuhl aufstand und ihr seine Weltkriegswunden an Bauch und Beinen zeigte.
Wir waren jung, und wir brauchten die Kalorien. Also aß ich. Wir mussten die Pasta, die zu einem einzigen wirren Paket verschnürt war, mit der Gabel in mundkompatible Happen zerteilen. Ach so, und die Tomatensoße war auch noch lauwarm.
Ich bin kein Snob und auch kein Feinschmecker, definitiv eher Gourmand als Gourmet. Aber diese Pasta tat mir ehrlich leid. Das hatte sie nicht verdient. Seitdem finde ich, man muss Pasta mit Respekt behandeln. Wenn sie schon verspeist wird, dann hat sie ein ehrenvolles Ende verdient. Ja, auch eine Nudel hat Würde. Das wurde mir an jenem Tag klar.
Grund 2: Das Trauma vom Fliegen
Ganz unter uns: Ich bin ein ziemlich paranoides Bündel. Vor allem bin ich ein geerdeter Mensch und kein Luftwesen. So habe ich einen ständig wiederkehrenden Alptraum, und er spielt in den winterlichen Bergen in einer Seilbahn. Du blickst nach vorn, freust dich auf die erste Abfahrt des neuen Tages, der Schnee ist weiß und unberührt, und es sind noch 1000 Meter bis zur Bergstation,
und irgendwo da vorne – du hast alle anderen Gondeln im Blick, es sind diese neuartigen Seilbahnen mit kleinen Kabinen in fröhlichen Waldfruchtfarben – reißt das Seil, und du siehst die Gondeln in den Schnee sinken, und sie fallen vom Seil wie Perlen von der gerissenen Kette einer fahlgesichtigen Frau, und die stürzenden Gondeln rücken näher, eine stahlgraue Wolke des Grauens, die auf dich zurollt, jetzt hörst du sie am Boden zerschellen, noch drei, noch zwei, noch eine, und dann fällst du, und obwohl dir nur eine Viertelsekunde bis zum Aufschlag bleibt, hast du noch Zeit für einen Schrei oder vielleicht auch für den Gedanken, dass dein Skipass ja noch eine Woche gültig gewesen wäre.
Höhe in jeder Form ist meine Sache nicht. Ganz und gar nicht. Nun könnte ich ein Buch schreiben darüber, wie ich mich meiner Angst stelle. Ich könnte einen Winter lang Gondelführer werden, vielleicht in der scheußlichen Seilbahn am Garmisch-Partenkirchener Hausberg, dessen Gondel achtzig Menschen wie in einem überdimensionalen Sarg einschließt. Ich könnte Mitglied im Golfclub Radstadt im Salzburger Land werden, der als einziger Golfclub der Welt eine Seilbahn besitzt, die die Spieler vom 10. Green auf das 11. Tee transportiert. Ich könnte einen Tag mit einem Seilbahninspektor auf die Masten steigen und in fünfzig Metern Höhe spüren, wie die Masten zart im Wind schaukeln, während mir der Seilbahninspektor grinsend ein »Ist doch toll hier, oder?« ins Ohr brüllt.
Einen Teufel werde ich tun. Warum soll man sich seiner Angst stellen? Auf welcher Frauenzeitschriftenpsy
chologieratgeberseite ist dieser sinnfreie Allgemeinplatz gewachsen? Schreibt doch ein Hollywood-Drehbuch, und lasst die Freundin des Helden sagen, während sie mit Glyzerin in den Augen an der Balustrade lehnt und in den Sonnenuntergang schaut: »Du musst dich deinen Ängsten stellen«, aber lasst mich damit in Ruhe.
Mein geschätzter englischer Kollege Tony Hawks, der Irland mit einem Kühlschrank umrundete, bringt es auf den Punkt: Wenn man einen Bergsteiger fragt, warum er in der Wintersaison die gefährliche Nordostwand des Matterhorns besteigen will, dann antwortet er: Weil sie da ist. Ja, könnte man antworten, das sind die Pantoffeln und die
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