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Blumen Für Sein Grab

Blumen Für Sein Grab

Titel: Blumen Für Sein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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Fenster, die dem Betrachter unerwarteterweise nicht durch Gardinen den Einblick in häusliche Umgebungen verwehrten, lockerten die massiven Fassaden von Apartmentblocks auf. Die kurzen Ausblicke auf den banalen Alltag – ein fürs Dinner gedeckter Tisch, ein flackernder Fernsehschirm – erschienen Meredith als entnervende Metapher für das Leben selbst. Heute noch da, morgen bereits vergangen. Mitzuerleben, wie jemand ohne Vorwarnung auf offener Straße oder – wie in Alex’ Fall – auf dem Rücksitz seines eigenen leistungsstarken, kostspieligen Wagens starb, erweckte, so empfand sie es jetzt, einen ganz neuen Sinn für Demut. Es schien irgendwie nicht richtig, als hätte der Tod nicht fair gespielt. Wie konnte ein Mann wie Alex, in angesehener gesellschaftlicher Stellung und vermögend, fast in einem einzigen Augenblick aus dieser Welt verschwinden? Warum hatte er keine Chance gehabt? Welches Spiel spielte das Schicksal da? Oder war die Wirklichkeit noch viel Furcht einflößender als die Vorstellung von einem böswilligen Schicksal? Sind wir nichts weiter als bedauernswerte Figürchen aus Staub und Asche, die im Schicksalsrad herumgewirbelt werden wie die Kugel im Roulette, um dort zu enden, wo das Glück uns fallen lässt? Meredith lehnte sich zurück und schloss die Augen. Es war ein langer Tag gewesen.
    Rachel war mit dem Chauffeur, Martin, im Schlepp zurückgekehrt, gerade als die Bahre mit dem Leichnam ihres Mannes in den Krankenwagen geladen wurde.
    Verständlicherweise hatte sie die Selbstbeherrschung verloren und war völlig in Hysterie verfallen. Gestützt auf Merediths Arm, war sie schon bald von einer kleinen Menge besorgter Passanten umringt. Das Aupairmädchen, das die gesamte Tonleiter mediterraner Gestik hinauf- und hinuntergeschluchzt und -gejammert hatte, erkannte nun, dass sich niemand für sie interessierte. Schmollend sammelte sie das verbeulte Silbertablett und die Glasscherben auf und zog sich ins Haus zurück. Von Zeit zu Zeit bewegte sich hinter den Scheiben ein perlenverzierter Vorhang und verriet, dass die Observation auf diskrete Weise fortgesetzt wurde. Ohne jeden Zweifel würde
    »Madame« bei ihrer Rückkehr einen wortreichen Bericht sämtlicher Einzelheiten erhalten.
    »Alex!«, kreischte Rachel.
    »Darling, sprich mit mir!«

    »Er kann nicht!«, schrie Meredith. Sie kam sich grausam vor, doch Rachels Hysterie, die ganz ohne Zweifel aus tiefstem Herzen kam, nahm nach und nach einen theatralischen Unterton an. Vor kurzem noch, als Meredith Rachel im Hauptzelt durch die Menge hatte schreiten sehen wie bei einem königlichen Defilee, war ihr Eindruck von Rachel kein anderer gewesen als jetzt, wo sie sie in ihrem ganzen Kummer sah: Rachel schien sich immer noch der zahlreichen Zuschauer bewusst und der Notwendigkeit, eine Vorstellung zu geben.
    Niemand machte ihr einen Vorwurf, doch genauso vermochte niemand sie zu trösten. Außerdem regte sich in Meredith der Verdacht, dass sich hinter Mrs. Constantines Verzweiflung eine gehörige Portion Ärger verbarg. So etwas hätte ihr nicht passieren dürfen, und schon gar nicht an einem so öffentlichen Ort. Man spürte fast, wie sie dem unglückseligen Constantine die Schuld gab, dass er nicht den Anstand besessen und gewartet hatte, bis London hinter ihnen lag, bevor er auf dem Rücksitz des teuren Automobils verstorben war.
    Schließlich brach sie völlig zusammen. Nachdem sich ein Arzt um sie gekümmert hatte, war sie im Stande, wenigstens das Geburtsdatum und den vollen Namen ihres Mannes zu schluchzen, Alexis George Constantine, sowie die Telefonnummern von ein paar Londoner Freunden. Diese wurden benachrichtigt und eilten pflichtschuldig herbei, um ihr besorgtes Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Sie sammelten Rachel ein und nahmen sie mit, um sie zu trösten und sich um sie zu kümmern. Der Chauffeur, ein nervöser, dunkelhaariger junger Mann, wurde angewiesen, den Mercedes zurück nach Lynstone zu bringen. Mrs. Constantine würde bis auf weiteres in der Stadt bleiben. Jetzt endlich konnten sich Markby und Meredith auf den Nachhauseweg begeben und frei über die Ereignisse des Tages sprechen.
    »Dass wir Rachel getroffen haben? Einer der zahlreichen üblen Scherze, die das Leben so spielt, weiter nichts.«
    Markby antwortete auf die laut gedachte Äußerung und trug damit zu dem inneren Konflikt bei, den Meredith mit sich ausfocht. Sie öffnete die Augen. Er starrte finster auf die fröhlichen Theaterbesucher am anderen Ende des

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