Blumenstrauss
zumindest dafür entschuldigen, auch wenn Max' Interesse an ihm nun gestorben war. Das war er dem Fotografen auf jeden Fall schuldig.
„Wollen Sie rein oder raus?“, murrte eine grimmige Stimme hinter ihm.
Simon fuhr herum. Ein älterer Mann stand hinter ihm. Der Regen tropfte von seinem Schirm herab und er blickte ihn finster an.
Rasch machte Simon einen Schritt zur Seite, um den Mann an sich vorbei zu lassen. Erst jetzt war er in der Lage, seinen Finger auf den Klingelknopf zu drücken. Der alte Mann hielt ihm noch fragend die Haustür auf, doch Simon schüttelte den Kopf.
„Ja?“, tönte es wenige Sekunden später aus der Gegensprechanlage.
„Simons Blütenzauber. Eine Lieferung für Sie“, spulte Simon seinen obligatorischen Satz mechanisch herunter.
Schweigen antwortete ihm.
Endlos lange Momente der Stille, in der lediglich der Regen für eine rauschende Geräuschkulisse sorgte, breiteten sich zwischen ihnen aus. Simons Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er war schon gewillt, aufzugeben und einfach zu gehen, als endlich die Antwort kam.
„Bist du dir diesmal sicher?“, fragte Max ungläubig.
„Ja“, antwortete Simon und kämpfte gegen den Druck in seiner Kehle an. „Ich bin mir sicher.“
Es dauerte noch weitere quälend lange Sekunden, ehe der Türsummer ertönte.
Erleichterung machte sich in Simon breit. Immerhin war Max gewillt, ihn zu empfangen.
Tag X
Max stand mit der Stirn an die Gegensprechanlage gelehnt und kämpfte gegen eine drohende Ohnmacht an. Niemals hätte er erwartet, dass Simon noch einmal bei ihm auftauchte. Mit dem letzten Strauß war der Antrag gekommen, und am nächsten Tag die ernüchternde, eiskalte, schockierende Wahrheit, die ihn mehr von den Socken geholt hatte, als er zugeben konnte.
Im Grunde war er selbst schuld gewesen. Wie er auf die Idee gekommen war, dass dieser Blumenbote gerade der Auftraggeber der Sträuße gewesen sein sollte, das wollte ihm jetzt nicht mehr einleuchten. Wahrscheinlich gehörten solche Erlebnisse zum Job eines Blumenboten und jemand wie Simon wurde beinahe jeden Tag vor Freude umarmt. Wer kam bei einem solchen Anblick nicht selbst auf die Idee, der Überbringer könnte der wahre Auftraggeber sein?
Max hatte sich den ganzen Tag lang Vorwürfe gemacht und sich selbst gescholten. Er sollte eigentlich alt genug sein, um nicht solchen pubertären Träumen zu erlegen. Eigentlich hatte er gedacht, inzwischen erfahren und weise genug zu sein, um sich nicht von so einer Gegebenheit aus der Fassung bringen zu lassen. Er hätte gleich merken müssen, dass da etwas falsch lief.
Aber dass Simon nun vor der Tür stand und ihm abermals Blumen brachte, das hatte er nicht erwartet.
Was wollte er von ihm?
Ihm eine Standpauke halten, weil er die Blumen angenommen und behalten hatte, obwohl sie nicht für ihn bestimmt gewesen waren?
Wollte er sich für die Umstände entschuldigen, weil es ja sein Fehler gewesen war?
Noch immer mit der Stirn an dem Lautsprecher gelehnt musste er tief durchatmen. Er hatte sich einfach zu sehr in diese Sache hineingesteigert. Natürlich hatten ihm diese Lieferungen gefallen. Auch wenn er ein Kerl war und eigentlich für solchen romantischen Tand nichts übrig hatte, so hatte er sich doch geehrt gefühlt. Und dann diese poetischen Liebesschwüre.
Jetzt wusste er, dass sie nicht von Simon gewesen waren, sondern von diesem anderen Mann, der wutentbrannt in den Laden gestürmt war. Und dass sie nicht ihm – Max – gegolten hatten, sondern jemand ganz anderem.
Es klopfte an der Tür. Seine Finger zitterten, als er die Türklinke in die Hand nahm und langsam runterdrückte. Zögerlich öffnete er.
Auf der Fußmatte stand Simon, tropfnass wie ein begossener Pudel, bleich im Gesicht. Die Lippen bläulich und vor Kälte zusammengepresst. Die Haare klebten nass an seinem Kopf. Ebenso, wie seine Klamotten eng an seinem Leib klebten. Auf dem Boden hatte sich bereits eine Pfütze gebildet.
Ein Motiv, das genauso eindrucksvoll war wie das mit den Scherben und den verteilten Rosen. Er wünschte, er hätte einen Fotoapparat parat gehabt, um dieses Bild festzuhalten.
Simon hielt ihm den Strauß entgegen. „Ich möchte mich entschuldigen“, sagte er. Seine Stimme zitterte. „Es war mein Fehler. Ich hatte ja nicht wissen können, dass … du denkst, die Rosen … wären von mir.“ Er räusperte sich verlegen. „Es tut mir leid, wenn ich …“ Er verstummte abrupt, da er offenbar nicht wusste, wie er es passend
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