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Blut der Wölfin

Blut der Wölfin

Titel: Blut der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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streckte ich die Nase ins Freie und atmete tief ein. Eine wahre Explosion von Gerüchen stürmte auf mich ein, so vielfältig und so stark, dass ich fast zurückgewichen wäre. Clays Schnauze streifte meine Schulter, als er sich an mir vorbeischob, um selbst eine Nase voll zu nehmen.
    Städte riechen fremdartig. Es gibt keinen besseren Ausdruck, um es zu beschreiben. Für einen Menschen beschwört der Geruch der Stadt viele Assoziationen herauf, manche gut, manche unangenehm, aber alle … normal.
    Als Wolf dagegen bestürmt mich eine Kombination widersprüchlicher Gerüche. Im Wald weiß ich, womit ich zu rechnen habe – Pflanzen und Tiere, lauter erdige, moschusartige, natürliche Gerüche. Hier trug mir ein einziger Atemzug Dreck und Asphalt, Mäusekot und Abwasser, Laub und frische Farbe, Schweiß und Parfum, verwesende Tiere im Rinnstein und frisch geschnittene Kartoffeln zu. Nichts davon passte zu etwas anderem, aber die Widersprüchlichkeit, so irritierend sie war, ergab zugleich ein wunderbares Rätsel für mein Gehirn, das die einzelnen Gerüche voneinander zu trennen und jeden davon zu identifizieren versuchte.
    Nick stieß mich von hinten her an. Da ich mich nicht von der Stelle rührte, kniff er mich ins Hinterteil. Ich verschluckte ein Fauchen und begnügte mich damit, ihm mit dem Schwanz ins Gesicht zu peitschen, bevor ich mich ins Freie schob.
    Ich ging nur eben weit genug, um die Tür freizugeben; dann sah ich mich um. Der Blick war mehr Gewohnheit als Notwendigkeit. Wenn jemand hier war, würde ich ihn riechen.
    Nachdem wir alle vier im Freien waren, teilten wir uns in zwei Gruppen. Antonio und Nick übernahmen die Nebenstraßen, während Clay und ich den Boden hinter dem Hotel absuchten. Das bedeutete, ihr Gebiet war schwieriger zu bearbeiten, aber unseres war riesig – statt festgelegter Pfade über Gehwege und Nebenstraßen hatten wir Gleisanlagen, Wiesenflächen und Parkplätze abzusuchen.
    Ich fing mit den Gleisen an, die an der Rückseite des Hotels zur Union Station verliefen. Nach fünf Minuten stieß Clay mich an, um mir mitzuteilen, ich solle es aufgeben. Er hatte recht. Der Gestank war einfach zu stark – Kreosot, Diesel, Unkrautvernichter und was in Jahrzehnten sonst noch alles hier in den Boden gelangt war.
    Wir liefen stattdessen zu dem Netz aus Gehwegen, Grünflächen und überdachten Passagen hinüber, die den SkyDome, den CN Tower und das Kongresszentrum miteinander verbanden. Der Wind pfiff rings um die leeren Gebäude; der ferne Schritt eines Wachmanns war das einzige Lebenszeichen. Hier wurden wir zu Geruchsstaubsaugern auf vier Pfoten, die hin und her über die offenen Flächen trabten, die Nasen am Boden.
    Wir endeten schließlich am Fuß eines kleinen Hügels auf einem trübseligen Stück Ödland, das in der Baseballsaison als Parkplatz diente und in dieser Eigenschaft wahrscheinlich ein schönes Geld eintrug. Als wir im Zickzack über die Wüstenei trabten, fand ich, was wir gesucht hatten – Verwesungsgeruch.
    Ich stieß ein hundeartiges Bellen aus, das Clay zu mir herüberrief. Er schnupperte zwischen meinen Vorderfüßen am Boden und grunzte dann. Wir trennten uns – Clay folgte der Spur in der einen Richtung, ich in der anderen. Als ich feststellte, dass meine Fährte vom Hotel fortführte, kehrte ich um und übernahm Clays Spur.
    Nachdem wir den Parkplatz hinter uns gelassen hatten, wurde es schwieriger, der Fährte zu folgen. Zu viele andere Fährten verliefen neben und über ihr – und es war ohnehin die des männlichen Zombies, der nicht so übel roch wie Rose.
    Scheinwerfer leuchteten hinter uns auf, und Clay stieß mich in den Schatten einer Werbetafel. Wir kauerten dort, während die von einer auf Grün gesprungenen Ampel freigegebenen Autos an uns vorbeijagten. Als die Luft wieder rein war, versuchte ich es von neuem. Die Spur war so schwach, dass ich ein Stück weit umkehren musste, um sie wiederzufinden, und einen halben Block weiter verschwand sie von neuem.
    Je länger ich darauf bestand, der Fährte zu folgen, desto ungeduldiger und schließlich ärgerlicher wurde Clay. Als wir uns dem Hotel näherten, war er wütend; er knurrte und rammte mich, so hart er es wagte. Mehrmals trabte er davon und kam, als ich ihm nicht folgte, in noch üblerer Laune zurück. Als er mich in die Flanke kniff, fuhr ich herum, die Ohren angelegt, und fauchte ihn an. Er erwiderte das Fauchen, und wir standen uns knurrend und schnappend gegenüber, bis Schritte uns

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