Blut für Blut: Thriller (German Edition)
wir haben dagesessen und geredet, und Peter hat sich wieder einmal über sein Leben mit Randi und den kleinen Jungen beklagt, das macht er immer, wenn er betrunken ist, und wenn wir uns am Montag dann wiedersehen, ist ihm das Ganze jedes Mal furchtbar peinlich.«
Ein Lächeln huschte über Kristines Gesicht, bevor sie fortfuhr: »Ich hatte es satt, mir sein Gejammer weiter anzuhören, und habe mich Kissi zugewandt, um mit ihr zu reden. Es tut immer gut, mit ihr zu sprechen, vor allem, wenn man Probleme hat. Sie hört einem zu und kann einen gut beraten. Ich habe uns eine Flasche Wein geholt, obwohl wir bereits reichlich getrunken hatten, und wir haben uns ein Stück von den anderen weggesetzt, um ungestört reden zu können. Ich habe ihr erzählt, dass ich unglücklich in einen Typen aus meinem Fitnessstudio verliebt bin, und Kissi hat mir zugehört, aber sie wirkte ziemlich geistesabwesend an diesem Abend, als wäre sie über irgendwas traurig. Sie ist sonst immer so fröhlich und positiv, deshalb habe ich sie gefragt, was los ist, und plötzlich brach es aus ihr heraus, dass ihr Leben auch nicht immer leicht sei, ganz und gar nicht, aber dass es ihr schwerfalle, über ihre Probleme zu reden, weil die Leute nahezu erwarteten, dass alles in ihrem Leben perfekt sei. Ich habe sie umarmt, ihr zugehört und uns mehr Wein geholt, und da hat sie das von Thomas erzählt.«
Kristine schwieg, ihre Augen waren jetzt groß und glänzend. Rebekka beugte sich zu ihr vor und fragte: »Was hat sie von Thomas erzählt?«
Kristine schniefte. »Sie hat mir erzählt, dass Thomas möglicherweise vor vielen Jahren am Tod einer jungen Frau schuld war. So hat sie das formuliert. Möglicherweise. Zuerst habe ich nicht verstanden, wovon sie geredet hat, weil sie unzusammenhängend erzählt hat, sie war wirklich ziemlich betrunken, und das war ich auch, aber langsam fiel der Groschen. Sie hat erzählt, dass sie den Verdacht hatte, dass Thomas vor zwanzig Jahren versehentlich eine junge Frau aus seiner Parallelklasse auf dem Gymnasium vergewaltigt und ermordet hat. Und da habe ich gewusst, wovon sie redete. Sie hat von meiner großen Schwester, von Charlotte, gesprochen. Von meiner Charlotte . Mir ist ganz kalt geworden, es fühlte sich so unwirklich an, das konnte einfach nicht stimmen. Kissi hat erzählt, dass sie damals in einer tiefen Krise steckte, weil ihr Mann Jerome sich als schwul geoutet und sie verlassen hatte und sie nicht wusste, wie ihr Leben weitergehen sollte. Thomas hatte zur gleichen Zeit sein Abi gemacht und wollte zu Hause ausziehen, und sie stand ihm sehr nahe, ihrem Sohn …«
Kristine schwieg und biss sich fest auf die Unterlippe. Ein kleiner Blutstropfen trat aus, und sie leckte ihn schnell ab.
»Warum hat sie Thomas verdächtigt, Charlotte umgebracht zu haben?«
»Irgendwas mit der Zeit stimmte nicht. Thomas hat behauptet, dass er um halb drei Uhr nachts nach Hause gekommen ist, und sie war der Meinung, dass es eher vier Uhr morgens war.« Kristine schwieg kurz. »Thomas und Charlotte gingen in Parallelklassen, waren nie Freunde oder ein Paar oder so etwas. Sie hatten beide Abitur gemacht und waren auf derselben Fete, und sie hatten beide einiges getrunken und zusammen getanzt. Meine Schwester war ziemlich betrunken und hat mit allen möglichen Typen getanzt, hat man mir erzählt. Plötzlich ist ihr schlecht geworden, und sie hat die Party verlassen, um nach Hause zu gehen. Kissi hat mir erzählt, dass sie wach gelegen und gehört hat, wie Thomas nach Hause gekommen ist. Er hatte sein Zimmer im Keller, und sie hat gehört, dass er die Waschmaschine angestellt und geduscht hat. Das hat sie gewundert, denn das hat er sonst nie getan und schon gar nicht, wenn er von einer Party gekommen ist. Am nächsten Morgen hat sie die nassen Sachen und seine Tennisschuhe in der Waschmaschine gefunden, ihn aber nicht danach gefragt. Sie ist davon ausgegangen, dass er sich übergeben hatte und sich schämte. In den folgenden Wochen waren Zeitungen, Radio und Fernsehen voll von den Nachrichten über den Mord an Charlotte, und sie und Thomas haben ab und zu darüber geredet, aber er hat keinen sonderlich betroffenen Eindruck gemacht. Ihr Verdacht, dass irgendetwas nicht stimmte, regte sich jedoch ernsthaft, als sie ihm ein paar Monate später beim Packen geholfen hat, weil er ausziehen wollte. Sie hat viele Fotos von Charlotte gefunden, die Thomas gemacht hatte. Schwarz-Weiß-Porträts und so. Auf einigen hatte er ihr Gesicht mit
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