Blut im Schnee
bestimmt zu einem der Stühle dirigierte.
„Warum?“, hauchte er kraftlos und sank in sich zusammen.
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Vermutlich war Ihr Partner einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber eines ist sicher: Wir tun alles, um den Täter zu fassen.“
„Wie …?“ Thorsten sah den Beamten an, der sich als Joachim Gruber vorgestellt hatte.
Verdammt, warum konnte ich mir auf Anhieb diesen Namen merken, ohne zu kapieren, warum er hier ist?
„Die Details erspare ich Ihnen besser.“
Thorsten schluckte. Sofort schob sich eine Schlagzeile in sein Gedächtnis, die neulich im Trierischen Volksfreund gestanden hatte. Da war es um zwei Morde gegangen, die mitten in der Stadt passiert und die bei der Tageszeitung natürlich auf Seite eins gelandet waren. Von mysteriösen Mordfällen war da die Rede gewesen – von Verstümmelungen und dem Rätsel hinter den Morden, wer etwas gegen die Getöteten gehabt hatte und welchen Zusammenhang es geben könnte.
„Ist er wie die beiden anderen …?“
Gruber nickte. „Gibt es Verwandte, die wir verständigen sollten?“
Thorsten sog die Luft tief ein. Niemand hatte einen schrecklichen Tod verdient, auch wenn er nicht genau wusste, was den anderen angetan wurde – das Wort Verstümmelung in der Zeitung ließ nichts Schönes erahnen. Darüber wollte er jetzt nicht nachdenken, lieber die Frage beantworten, das erschien ihm besser.
„Nein, nicht dass ich wüsste. Martin hat keine Geschwister und seine Eltern leben nicht mehr. Sie haben ihn erst spät bekommen, als sie die Hoffnung auf ein Kind längst aufgegeben hatten – wie er mir erzählt hat.“
„Und Sie? Haben Sie jemanden, den Sie anrufen können? Sie sollten nicht allein sein.“
Thorsten überlegte. Kim könnte er anrufen. Wobei … es wäre grausam von ihm. Sie war die beste Freundin von Martin, sie kannten sich seit Jahren. Andererseits, irgendwann musste sie es erfahren und hieß es nicht immer: Lieber früher als später … galt das auch für schlechte Nachrichten?
Er seufzte. „Machen Sie sich um mich keine Sorgen – finden Sie das Schwein! Ich komme schon klar. Aber – ich will ihn sehen, mich verabschieden. Geht das?“
„Natürlich. Ich kann Ihnen Bescheid geben, sobald der Gerichtsmediziner seine Arbeit erledigt hat.“
Thorsten biss die Zähne zusammen. Er musste jetzt stark sein, für Martin. Er hätte bestimmt nicht gewollt, dass er sich heulend wie ein Mädchen aufs Sofa verkrümelte und sein Leid klagte. Zumal der davon auch nicht wieder lebendig wurde. War das kaltherzig von ihm? Er wusste es nicht.
***
Joachim betrachtete den jungen Mann vor sich, der die Schultern straffte und vom Stuhl aufstand. Es gab viele verschiedene Reaktionen auf eine solche Nachricht, wie er sie eben überbracht hatte. Er hasste diesen Teil seiner Arbeit, doch es führte kein Weg daran vorbei. Nach außen hin demonstrierte Stärke begegnete ihm dabei ebenso oft, wie der Zusammenbruch eines Angehörigen, den man vom Tod eines geliebten Menschen in Kenntnis setzte. Wie lange Thorsten Klein diese Stärke aufrechterhalten konnte, stand in den Sternen. Die wenigsten Männer gestanden sich Schwäche ein oder zeigten sie sogar. Als er vor der Tür gestanden hatte, war er sich nicht sicher gewesen, was ihn hier erwarten würde. Jetzt allerdings war er froh, nicht auf einen tuntigen Schwulen getroffen zu sein. Tränenreiches und divenhaftes Gekreische war das Letzte, was er gebrauchen konnte. In einem war er sich nun aber sicher: Der Täter hatte es eindeutig nur auf homosexuelle Männer abgesehen.
Thorsten Klein begleitete ihn schweigend bis zur Tür. Dann gab er ihm eine Visitenkarte, die er aus einer kleinen Box zog, die auf dem Schränkchen im Flur gelegen hatte.
„Da steht auch meine Handynummer drauf.“
„Danke. Ich werde mich bei Ihnen melden. Es kann sein, dass Fragen aufkommen und es wäre nett, wenn Sie uns diesbezüglich unterstützen könnten“, Joachim stockte. „Wissen Sie, wo sich Ihr Lebensgefährte gestern Abend aufgehalten hat?“
„Ja, sicher. Martin war zu einem Klassentreffen. Sie wollten essen gehen.“
Die Worte klangen tonlos und nüchtern, als habe der junge Mann den Text irgendwo abgelesen.
„Wissen Sie wo?“, erkundigte er sich.
„Im Deutschen Hof.“
Joachim nickte. Damit war die Frage nach dem Streichholzbriefchen geklärt und sein nächstes Ziel auch. Als er das Haus verließ, steckte er sich die Visitenkarte in die Jackentasche. Er glaubte
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