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Blut im Schnee

Blut im Schnee

Titel: Blut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie R. Nikolay
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schon nach zwei gewesen, als er das große Büro, das der Sonderkommission als Zentrale diente, verlassen hatte. Nun war es kurz nach fünf und eiskalt. Dass ausgerechnet an diesem frostigen Wintermorgen jemand den Leichnam gefunden hatte, grenzte für Joachim an Irrsinn – wer war freiwillig in dieser Eiseskälte am Moselufer unterwegs, und das zu so früher Stunde? Laut seiner Kollegin, deren Anruf ihn aus dem Bett geschmissen hatte, war der Mann zum Joggen auf dem Moselradweg gewesen und dabei fast über den Toten gestolpert. Ob sich überhaupt Spuren finden ließen, stand in den Sternen. Denn während Joachim versucht hatte, etwas von dem verpassten Schlaf nachzuholen, war Neuschnee gefallen.
    Es kam ihm vor wie ein Déjà-vu, als er über die Kreuzung fuhr, in Richtung der Römerbrücke abbog und das Blaulicht die Dunkelheit durchbrach. Er stellte sein Auto neben dem Streifenwagen ab und lief vorsichtig über die frische Schicht Schnee hinunter zum Radweg. Auf diesem ging er mit äußerster Sorgfalt, nicht, weil er vielleicht stürzen könnte. Es ging viel eher darum, eventuell vom Täter hinterlassene Fußabdrücke im Schnee nicht zu zerstören. Den uniformierten Kollegen, der ihm auf dem Radweg entgegenkam, erkannte er sofort.
    „Hallo Jo“, grüßte der ihn.
    „Guten Morgen, Hartmut. Wobei, gut trifft es wahrscheinlich nicht.“
    „Da hast du recht. Der da hinten“, begann er und deutete mit dem Daumen über seine Schulter, „passt leider ganz genau zu den anderen.“
    „Ich hab’s befürchtet. Mein Gott, ich glaube, so was hat die Stadt in ihren über zweitausend Jahren nicht gesehen …“, erwiderte er und schritt auf den Toten zu, der unter der Brücke lag und daher vom Neuschnee verschont geblieben war. Er brauchte nur kurz mit seiner Taschenlampe über den Körper zu leuchten, um zu sehen, dass Hartmut mit seiner Aussage richtig lag. Das Opfer war, wie die beiden vorhergehenden, zur Hälfte entblößt und Joachim verwettete sein gesamtes Hab und Gut, dass auch ihm ein wichtiger Teil fehlte. Zumindest wichtig für einen Mann. All das Blut, das um die Körpermitte verteilt und hart gefroren war, täuschte nicht darüber hinweg, dass etwas an dem Körper ganz und gar nicht stimmte.
    Was ist das nur für ein Irrer?, schoss es ihm zum wiederholten Mal durch den Sinn. Wie krank muss man sein, um einem Mann den Schwanz abzuschneiden und in den Mund zu stopfen? Obendrein behielt der Täter ein Souvenir – die Kronjuwelen. Jeder Leiche fehlten beide Hoden.
    Joachim schüttelte sich. Das Schaudern ließ ihn einfach nicht los. Eigentlich liebte er seinen Beruf – empfand ihn sogar als Berufung – doch im Augenblick fühlte er sich gar nicht wohl, angesichts dieser Verbrechen. Vor sich lag Opfer Nummer drei und sie hatten nichts, aber auch rein gar nichts in der Hand. Die Männer aufzufinden, die auf diese Art und Weise getötet wurden, war schon grausam genug. Dem Täter dabei auch nicht nur ansatzweise näherzukommen, war schrecklich. Vor allem, da sich die zeitlichen Abstände zu verkürzen schienen. Zwischen Nummer zwei und drei lagen jetzt nur fünf Tage. Zwischen den ersten beiden waren es acht gewesen.
    „Habt ihr ihn schon nach Papieren abgesucht?“, erkundigte er sich.
    „Nein, wir wollten alles so lassen, wie es ist“, gab Hartmuts jüngerer Kollege zurück.
    Joachim beleuchtete ihn kurz und sah, dass auch diesem jungen Beamten schlecht geworden war. Kein Wunder – selbst den härtesten Kerlen wurde übel, wenn sie einen Blick auf diese Grausamkeit richteten.
    Sorgfältig zog Joachim sich die Einmalhandschuhe über, in der Hoffnung diesmal vorhandene Spuren nicht zu verunreinigen. Zuerst tastete er die Hosentaschen der Jeans ab, doch er fand nichts.
    „Kein Schlüssel, kein Portemonnaie“, murmelte er und setzte seine Suche in der offenstehenden dicken Winterjacke des Ermordeten fort. In den Außentaschen fand er nur ein Streichholzbriefchen. In der linken Innentasche fand er dann die Börse, rechts einen Schlüssel und ein Handy, während er krampfhaft versuchte, dem Opfer nicht ins Gesicht zu sehen. Schließlich trat er mit etwas Erleichterung von dem leblosen Körper zurück. Durch die Fundstücke würde die Identität des Mannes nicht lange ein Geheimnis bleiben.
    „Als ihr hier angekommen seid, waren da außer den Spuren des Joggers noch andere im Schnee?“, fragte er an Hartmut gerichtet.
    „Nein. Nicht aus der Richtung, aus der wir gekommen sind. Der Anrufer kam von der

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