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Blut im Schnee

Blut im Schnee

Titel: Blut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie R. Nikolay
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aufgerafft, sich geduscht und frische Sachen angezogen. Als er Kim die Tür aufmachte, sah er beinahe normal aus – wenn man von den verquollenen Augen mal absah.
    „Meine Güte! Wie siehst du denn aus?“, begrüßte sie ihn und schob sich an ihm vorbei. „Und, was ist los? Was hat er angestellt?“
    „Angestellt?“, wiederholte Thorsten verdattert und folgte ihr.
    „Dass du geflennt hast, sieht ein Blinder! Hat er ’nen anderen gefickt?“
    Thorsten schloss die Augen und atmete langsam aus. Wie um Himmels willen sollte er ihr sagen, was los war?
    „Herzchen, bevor du kamst, hatte er ständig irgendwelche Bettgeschichten. Wenn er jetzt in das alte Muster zurückfällt, drehe ich ihm persönlich den Hals um!“, zeterte sie und raufte sich durch das kurze Haar.
    „Setz dich, Kim.“
    Sie sah ihn verständnislos an.
    „Setz dich. Ist besser …“, wiederholte er nachdrücklich und biss sich selbst auf die Unterlippe. Ihm fehlten eindeutig die richtigen Worte für das, was er sagen musste.
    „Mann, du machst es aber spannend“, schnaubte sie und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Gleichzeitig wickelte sie sich ihren Schal vom Hals.
    Thorsten schluckte und wählte den Stuhl ihr gegenüber. Er fühlte sich elend, doch er kam nicht daran vorbei, es ihr zu sagen. Kim schälte sich aus ihrer Jacke und sah ihn erwartungsvoll an.
    „Ich weiß gar nicht, wie ich dir das sagen soll. Kim, ich wünschte, er hätte mich mit einem anderen Kerl betrogen! Leider ist es viel schlimmer …“
    „Was denn“, platzte sie dazwischen, „war es etwa ’ne Frau?“
    „Nein, verdammt!“
    „Dann versteh ich nicht, was schlimmer ist …“, warf sie ein, ehe er weitersprechen konnte.
    „Jetzt unterbrich mich doch nicht dauernd!“, motzte er, allmählich sauer. „Du weißt nicht, was schlimmer ist, als einen fremden Arsch zu pimpern? Ich sag’s dir! Der Blödmann hat … hat … er ist tot, Kim“, presste er hervor und wischte sich über die Augen. Verflucht, war er wirklich so ein Weichei, dass er ständig zu heulen anfing? Und Kim? Die starrte ihn mit offenem Mund an, als wäre ihm plötzlich ein drittes Auge gewachsen!
    „Jetzt sag doch was“, bat er.
    „Was ist passiert?“, fragte sie leise.
    „Ein Polizist war heute Morgen hier. Ich habe es nicht gleich kapiert, er war in zivil. Er sagte, Martin wäre gefunden worden. Ermordet. Er passt wohl zu den beiden anderen Männern, die sie schon gefunden haben.“
    „Oh Gott! Nein!“
    Ihren Gesichtsausdruck würde er wohl nie vergessen. Sie sah so gequält aus, schockiert und aufrichtig entsetzt. Thorsten tat es weh, die zierliche und sonst so quirlige Frau mit dem losen Mundwerk so schockiert zu haben. Hätte er ihr nicht irgendwie schonender sagen können, was mit Martin passiert war? War das überhaupt möglich? Konnte man schonend erklären, dass das Schicksal fies war und der Tod alles zerstörte, was man hatte?
    „Es tut mir leid“, flüsterte er.
    „Dir tut es leid? Bist du verrückt? Für was willst du dich entschuldigen? Weil er nicht mehr da ist? Das bringt ihn nicht zurück und Schuld hast du ja bestimmt nicht!“
    Thorsten griff sich ein Kleenex aus dem gläsernen Spender und putzte sich die Nase. Kim zog währenddessen eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Jacke hervor, die an ihrem Stuhl hing, und steckte sich eine an.
    „Jetzt darf ich ja wohl rauchen“, erklärte sie trotzig.
    „Mir egal. Ich meinte eben, ich hätte dir das auch irgendwie freundlicher oder schonender erzählen können.“
    „Ach ja? Und wie? Pass mal auf Herzchen, der Tod ist ein Arschloch. Er kommt, wann er will und keine Worte der Welt können das nett umschreiben. So, und jetzt? Was hat der von der Kripo gesagt? Sollst du dich um alles kümmern?“
    „Er hat gar nichts gesagt, wollte nur wissen, wo Martin gestern Abend war. Er ruft an, wenn ich Martin sehen kann. Ich habe darum gebeten.“
    Kim stand auf und schnippte ihre Asche in die Spüle. Als sie sich umdrehte, hatte Thorsten den Eindruck, er habe einen Teenager statt einer fast dreißigjährigen Frau vor sich.
    „Darf ich mitkommen? Ich meine, nimmst du mich mit, damit ich ihm ‚Tschüss‘ sagen kann?“
    „Natürlich. Du kennst ihn länger als ich.“
    „Kannte“, erwiderte sie matt. Dann begann sie zu weinen.
     

Kapitel 2
     
    Als Joachim Gruber im K11 ankam, war die Hölle los. Unzählige seiner Kollegen und Kolleginnen waren anwesend und er hatte den Eindruck, die Truppe wäre aufgestockt worden. Dabei hatte

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