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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sein kahler Schädel schimmerte im Halbdunkel. »Ich mag diesen Spiegel nicht«, sagte er. »Ich habe ihn nie gemocht. Ich habe Angst hineinzuschauen. Ich habe Angst, dass ich eines Tages hineinschauen und sehen könnte … was die anderen gesehen haben.«
    »Sie haben nur sich selbst gesehen«, sagte Spangler.
    Mr. Carlin setzte zum Sprechen an, machte den Mund wieder zu, schüttelte den Kopf, griff hoch und verrenkte den Hals beim Versuch, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. »Müsste erneuert werden«, murmelte er. »Es ist – verdammt!« Das Schloss sprang plötzlich auf und fiel aus dem Riegel. Mr. Carlin griff linkisch danach und wäre um ein Haar von der Leiter gestürzt. Spangler fing es geschickt und sah zu ihm auf. Carlin klammerte sich zitternd an die oberste Sprosse; sein Gesicht hob sich leichenblass vom bräunlichen Halbdunkel ab.
    »Der Spiegel macht Sie nervös, was?«, sagte Spangler verwundert.
    Mr. Carlin sagte nichts. Er schien gelähmt zu sein.
    »Kommen Sie runter«, sagte Spangler. »Bitte. Sonst stürzen Sie noch!«
    Carlin stieg langsam die Leiter hinab und hielt sich so krampfhaft an den Sprossen fest, als hinge er über einem tiefen Abgrund. Sobald seine Füße den Boden berührten, fing er an zu stammeln, als hätte ein elektrischer Kontakt im Fußboden ihn eingeschaltet wie ein elektrisches Licht.
    »Eine Viertelmillion!«, sagte er.
    »Eine Viertelmillion Versicherungssumme, nur um dieses … dieses Ding von hier unten nach da oben zu schaffen. Dieses gottverdammte Ding. Sie mussten einen speziellen Flaschenzug montieren, um es in den Giebelraum dort oben zu bringen. Und ich habe gehofft – fast gebetet  –, dass jemand die Finger abrutschen mögen … dass das Seil reißen, dass das Ding herunterfallen und in Millionen Einzelteile zersplittern möge …«
    »Tatsachen«, sagte Spangler. »Tatsachen, Carlin. Keine Groschenromane, keine Schundheftchen oder drittklassige Horrorfilme! Tatsachen. Erstens: John DeIver war ein englischer Handwerker normannischer Abstammung, der in der sogenannten elisabethanischen Epoche der englischen Geschichte Spiegel herstellte. Er lebte und starb unspektakulär. Keine auf den Fußboden gekritzelten Pentagramme, die die Haushälterin beseitigen musste, keine nach Schwefel riechenden Dokumente mit einem Blutfleck auf der gepunkteten Linie. Zweitens: Seine Spiegel wurden zu begehrten Sammlerobjekten, weil sie wahre Meisterwerke sind, und ein besonderes Kristallglas verwendet wurde, das eine leicht vergrößernde und verzerrende Wirkung auf das Auge des Betrachters hat – ein spezifisches Merkmal. Drittens: Soviel wir wissen, existieren heute nur noch fünf DeIver-Spiegel – zwei davon in Amerika. Sie sind von unschätzbarem Wert. Viertens: Dieser DeIver-Spiegel und ein weiterer, der beim Bombenangriff auf London zerstört wurde, sind aufgrund von Lügen, Übertreibungen und Zufällen zu Unrecht in Verruf geraten …«
    »Fünftens«, sagte Mr. Carlin. »Sie sind ein arrogantes Arschloch, stimmt’s?«
    Spangler betrachtete mit gelinder Abscheu den blinden Adonis.
    »Ich habe die Führung gemacht, als Sandra Bates’ Bruder in Ihren kostbaren DeIver-Spiegel gesehen hat, Spangler. Er war um die sechzehn und gehörte zu einer Highschool-Gruppe. Ich hatte die Geschichte des Spiegels rekapituliert und war gerade zu dem Teil gekommen, der Ihnen gefallen hätte – ich beschrieb die vortreffliche Handwerkskunst, die Perfektion des Glases selbst –, als der Junge die Hand hob. »Aber was ist mit diesem schwarzen Fleck in der linken oberen Ecke?« fragte er. »Der sieht wie ein Makel aus.«
    Einer seiner Freunde fragte, was er meinte, und der Bates-Junge wollte es ihm sagen, verstummte aber. Er sah den Spiegel genau an und ging bis zu der roten Samtkordel-Absperrung  – dann sah er hinter sich, als wäre das, was er gesehen hatte, ein Spiegelbild gewesen – das Spiegelbild einer schwarz gekleideten Gestalt hinter ihm. »Es hat wie ein Mann ausgesehen«, sagte er. »Aber ich konnte das Gesicht nicht erkennen. Jetzt ist es verschwunden.« Und das war alles.«
    »Nur weiter«, sagte Spangler. »Sie wollen mir weismachen, es wäre der Sensenmann gewesen – das ist die gängige Meinung, richtig? Dass gelegentlich auserwählte Personen das Bildnis des Sensenmannes in dem Spiegel sehen? Vergessen Sie es, Mann. Der National Enquirer wäre begeistert! Erzählen Sie mir von den schrecklichen Folgen, die niemand erklären kann. Wurde er später von

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