Blut - Skeleton Crew
der Kapitän die vier tiefen Kratzer auf seiner Wange sehen konnte. Sie schwollen langsam an.
»Ihm-hat große stark«, sagte Dud. »Kräftig-rufe. Ihmist umbie.«
»Umbie-er-du-rufst?« Der Kapitän sah Dud streng an.
Dud nickte. »Umbie. Sey-so. Umbie-ich-rufe.«
Shapiro suchte mit gerunzelter Stirn in seinem erschöpften und verängstigten Gehirn nach diesem Wort. Jetzt fiel es ihm ein. »Umbie«. Das hieß »verrückt«. Er ist stark, um Gottes willen. Stark, weil er verrückt ist. Er hat starken Willen, große Kraft. Weil er verrückt ist.
Umbie.
Der Boden schwankte wieder unter ihnen, und Sand wehte über Shapiros Stiefel.
Hinter ihnen ertönte das hohle Ka-wumm-ka-wumm-ka-wumm der aufgehenden Atemventile. Shapiro dachte, dass das eines der schönsten Geräusche war, die er im Leben gehört hatte.
Der Kapitän saß tief in Gedanken versunken da, ein unheimlicher Zentaur, dessen untere Hälfte aus Exoskelett und Schalttafeln bestand, statt aus einem Pferdeleib. Dann sah er auf und drückte auf den Kommunikator.
»Gomez, schicken Sie Excellent Montoya mit einer Beruhigungsspritze runter.«
»Verstanden.«
Der Kapitän sah Shapiro an. »Jetzt habe ich zu allem Übrigen auch noch einen Androiden verloren, der so viel wert war, wie Ihr Lohn in den nächsten zehn Jahren. Ich habe die Schnauze voll. Ich will Ihren Kumpel haben.«
»Kapitän.« Shapiro leckte sich unwillkürlich die Lippen. Er wusste, das war ungeschickt. Er wollte nicht verrückt, hysterisch oder feige erscheinen, und der Kapitän hielt ihn offensichtlich für alles drei. Wenn er sich die Lippen leckte, würde das den Eindruck noch verstärken … aber er konnte einfach nicht anders. »Kapitän, ich kann nicht nachdrücklich genug auf die Notwendigkeit hinweisen, diesen Planeten so schnell wie möglich zu ver…«
»Ruhig, Rauschkopf«, sagte der Kapitän nicht unfreundlich.
Ein schwacher Schrei kam vom Gipfel der nächsten Düne.
»Rührt mich nicht an! Kommt mir nicht zu nahe! Lasst mich in Ruhe! Alle!«
»Groß-Kraft umbie«, sagte Dud ernst.
»O-Er ja-ist«, erwiderte der Kapitän und wandte sich dann an Shapiro. »Er scheint wirklich in einem schlimmen Zustand zu sein.«
Shapiro schauderte. »Sie wissen nicht. Sie …«
Wieder senkte sich die Schmelzfläche. Die Streben ächzten noch stärker. Der Kommunikator knackte. Gomez’ Stimme klang dünn und unsicher.
»Wir müssen sofort starten, Käpt’n!«
»In Ordnung.« Ein brauner Mann tauchte auf der Laufplanke auf. Er hielt einen langen Hochdruckinjektor in einer behandschuhten Hand. Der Kapitän deutete auf Rand. »Ihn für, rufe. Kann?«
Excellent Montoya, der weder von der schrägen Erde – die überhaupt keine Erde war, sondern nur Sand, der zu Glas geschmolzen war (und Shapiro sah, dass sich jetzt tiefe Risse durchzogen) – noch von den ächzenden Streben noch vom unheimlichen Anblick eines Androiden, der sich mit den Beinen sein eigenes Grab zu schaufeln schien, aus der Ruhe bringen ließ, betrachtete einen Moment Rands schmale Gestalt.
»Kann«, sagte er.
»Gat! Holen-Ihm-rufe!« Der Kapitän spuckte aus. »Schieß ihm den Pimmel ab, mir das egal«, sagte er. »Solange er nur atmet, wenn wir an Bord sind.«
Excellent Montoya hob den Injektor. Die Bewegung wirkte zu zwei Dritteln nachlässig und zu einem Drittel unbekümmert, aber sogar in seinem panischen Zustand bemerkte Shapiro, wie Montoya den Kopf schief legte, als er den Lauf justierte. Wie bei vielen der Clans war der Injektor fast ein Teil von ihm, ein deutender Finger.
Es machte ein hohles Fuuuh als er auf den Abzug drückte und der Betäubungspfeil aus dem Lauf schoss.
Eine Hand griff aus der Düne und fing ihn ab.
Es war eine große, braune, wabernde Hand aus Sand. Dem Wind zum Trotz streckte sie sich einfach aus der Düne empor und bereitete dem kurzen Glitzerflug des Pfeils ein Ende. Dann fiel der Sand mit einem schweren Schrrrrapp wieder in sich zusammen. Keine Hand mehr. Nicht zu glauben, dass es eine gegeben hatte. Aber sie hatten sie alle gesehen.
»Joho do«, sagte der Kapitän fast im Plauderton.
Excellent Montoya fiel auf die Knie. »Heilig-ihre Gottmuttah-rufe! Heilig-sei dein Name-ruf-ich!«
Obwohl Shapiro vor Entsetzen wie gelähmt war, begriff er, dass Montoya den Rosenkranz auf Pidgin betete.
Oben auf der Düne sprang Rand auf und ab, schüttelte die Fäuste zum Himmel und kreischte triumphierend.
Eine Hand. Es war eine HAND. Er hat recht; sie leben, leben, leben
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