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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Leichenbestatter!
    Irgendjemand, nur nicht er.
    Warum sollte er auch?
    Es war ihm egal, und Omi auch.
    Buddys Stimme in seinem Kopf: Wenn du keine Angst gehabt hast, warum hat du dich dann nicht getraut, ihr Gesicht zuzudecken?
    Das war mir egal.
    Angsthase!
    Und Omi auch.
    FEIGER ANGSTHASE!
    Während George am Tisch vor seinem Geschichtsbuch saß, ohne zu lesen, sah er ein, dass er nicht behaupten konnte, er hätte alles richtig gemacht, wenn er die Decke nicht über Omis Gesicht zog, und damit würde Buddy wieder ein Bein (wenn auch ein wackeliges) auf die Erde bekommen haben.
    Jetzt sah er sich, wie er die unheimliche Geschichte von Omis Tod im Pfadfinderlager erzählte und gerade zum tröstlichen Schluss kam, wo Mamas Scheinwerfer in der Einfahrt sichtbar wurden – die Rückkehr des Erwachsenen, der das Konzept der Ordnung wieder herstellt und bekräftigt –, und plötzlich kam eine dunkle Gestalt aus dem Schatten, ein Tannenzapfen im Feuer zerplatzt, und er kann in der dunklen Gestalt Buddy erkennen, der sagt: Wenn du so mutig warst, Hasenfuß – warum hast du dich dann nicht getraut, IHR GESICHT zu bedecken?
    George stand auf und rief sich ins Gedächtnis zurück, dass Omi draußen war, dass Omi alle war, dass Omi den Schnattermann machte. Er konnte ihren Arm aufs Bett zurücklegen, ihr einen Teebeutel in die Nase stopfen, ihr Kopfhörer aufsetzen und volle Kanne Chuck Berry spielen, usw. usw., und nichts würde Omi berühren, denn das war es, was tot sein bedeutete, einen Toten berührte nichts mehr, ein Toter war der absolut Coole, und alles andere waren nur Träume, unentrinnbare und apokalyptische Fieberträume von Schranktüren, die sich im toten Maul der Mitternacht auftaten, Albträume von Mondlicht, das ein gespenstisches Blau auf die Knochen ausgegrabener Skelette zauberte …
    Er flüsterte: »Hör auf damit, ja? Sei nicht so …«
    (albern)
    Er wappnete sich. Er würde jetzt da reingehen und ihr die Decke übers Gesicht ziehen, und dann würde Buddy kein Bein mehr auf die Erde kriegen. Er würde die wenigen einfachen Rituale anlässlich Omis Tod perfekt ausführen. Er würde ihr Gesicht zudecken, dann würde er – sein Gesicht strahlte beim Gedanken an diese symbolische Handlung – ihren unbenutzten Teebeutel und ihre unbenutzte Tasse wegräumen. Jawohl.
    Er musste sich regelrecht zu jedem Schritt zwingen. Omis Zimmer war dunkel, ihr Körper ein hager Umriss auf dem Bett, und er tastete krampfhaft nach dem Lichtschalter und konnte ihn scheinbar eine Ewigkeit nicht finden. Schließlich knipste er es doch an, und das matte gelbe Licht der Deckenlampe aus geschliffenem Glas erhellte den Raum.
    Omi lag immer noch mit offenem Mund und herabhängendem Arm da. George betrachtete sie, spürte, dass ihm kleine Schweißperlen auf der Stirn standen, und fragte sich, ob es auch zu seinen Pflichten gehören konnte, diese erkaltete Hand zu nehmen und zum Rest von Omi aufs Bett zu legen. Er entschied, dass es nicht dazu gehörte. Das war zu viel. Er konnte sie nicht berühren. Alles andere, aber das nicht.
    Langsam, als würde er nicht durch Luft, sondern durch eine zähe Flüssigkeit schreiten, ging George auf Omi zu. Er stand über ihr und sah auf sie hinab. Omi war gelb. Zum Teil lag das am Licht, das durch den alten Lampenschirm gefiltert wurde, aber nicht ausschließlich.
    George, der hörbar rasselnd durch den Mund atmete, nahm die Decke und zog sie über Omis Gesicht. Er ließ sie los, und sie rutschte ein wenig herunter und enthüllte Omis Haaransatz und das gelbe, runzlige Pergament ihrer Stirn. Er wappnete sich und fasste die Decke noch einmal an – mit beiden Händen weit rechts und links von Omis Kopf, damit er sie auf gar keinen Fall berühren musste, nicht einmal durch den Stoff – und zog sie wieder hoch. Dieses Mal blieb sie liegen. Das Ergebnis war zufriedenstellend. George verlor etwas von seiner Angst. Er hatte sie begraben. Ja, das war der Grund, weshalb man Tote zudeckte und weshalb das richtig war: es war, als würde man sie begraben. Es war ein Bekenntnis.
    Er betrachtete die baumelnde, unbeerdigte Hand und stellte fest, dass er sie jetzt berühren und unter die Decke schieben und wie den Rest von Omi beerdigen konnte.
    Er bückte sich, ergriff die kühle Hand und hob sie hoch.
    Die Hand drehte sich in seiner und packte ihn am Gelenk.
    George schrie. Er taumelte rückwärts und schrie in dem leeren Haus, schrie gegen den Wind an, der um die Erker heulte, schrie gegen die

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