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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ausgestreckten Armen über das Linoleum und streckte die Arme nach ihm aus. Ihre Hände klatschten zusammen, auseinander und klatschten wieder zusammen … Omi wollte ihn umarmen; sie hatte fünf Jahre auf diese Umarmung gewartet.
    »Ruth, kannst du mich hören? Hier stürmt es, es hat erst angefangen, und ich … ich bekam Angst. Ruth, ich kann dich nicht hören …«
    »George?« Tante Flos Stimme wurde auf einmal schärfer, fast kreischend. »George, bist du es?«
    Er begann vor Omi zurückzuweichen und bemerkte plötzlich, dass er dummerweise in die falsche Richtung gegangen war, von der Tür weg in die Ecke zwischen den Küchenschränken und die Spüle. Das Entsetzen war allumfassend. Als ihr Schatten auf ihn fiel, löste sich die Lähmung, und er schrie ins Telefon, schrie immer wieder: »Omi! Omi! Omi!«
    Omis kalte Hände berührten seinen Hals. Ihre trüben alten Augen sahen in seine und lähmten seinen Willen.
    Schwach und undeutlich, wie über viele Jahre hinweg, nicht nur viele Meilen, hörte er Tante Flo sagen: »Befiehl ihr, sich hinzulegen, George, befiehl ihr, sich hinzulegen und still zu sein. Befiehl es ihr in deinem Namen und im Namen ihres Vaters. Der Name ihres selbsterwählten Vaters ist Hastur. Sein Name hat Gewalt über sie, George – befiel ihr: Leg dich hin, im Namen von Hastur, befiehl ihr …«
    Die alte runzelige Hand entwand aus Georges taubem Griff den Hörer. Die Schnur wurde mit einem Ruck aus dem Telefon gerissen. George brach in der Ecke zusammen, und Omi beugte sich über ihn, ein riesiger Fleischberg, der das Licht verdeckte.
    George schrie: »Leg dich hin! Sei still! Hasturs Name! Hastur! Leg dich hin! Sei still!«
    Ihre Hände schlossen sich um seinen Hals …
    »Du musst es tun! Tante Flo sagte, dass du es musst! In meinem Namen! Im Namen deines Vaters! Leg dich hin! Sei sti…«
    … und drückten zu.
     
    Als die Scheinwerfer eine Stunde später die Einfahrt in helles Licht tauchten, saß George am Tisch vor dem ungelesenen Geschichtsbuch. Er stand auf, ging zur Hintertür und öffnete sie. Links von ihm lag der Hörer des Princess-Telefons auf der Gabel, die nutzlose Schnur war darum gewickelt.
    Seine Mutter kam herein, an ihrem Mantelkragen klebte ein Blatt. »So ein Wind«, sagte sie. »War alles in – George! George, was ist denn nur passiert? «
    Das Blut entwich von einer Sekunde zur anderen aus ihrem Gesicht und machte es blass wie das eines Clowns.
    »Omi«, sagte er. »Omi ist gestorben. Omi ist gestorben, Mami.« Und er fing an zu weinen.
    Sie nahm ihn fest in die Arme und taumelte dann gegen die Wand, als hätte ihr diese Umarmung die letzte Kraft geraubt. »Ist … ist etwas passiert?«, fragte sie. »George, ist noch etwas anderes passiert?«
    »Der Wind hat einen Ast durch ihr Fenster geweht«, sagte George.
    Sie schob ihn weg, sah einen Moment in sein leeres, vom Schock gezeichnetes Gesicht und stolperte in Omis Zimmer. Sie blieb etwa vier Minuten darin. Als sie zurückkam, hielt sie einen roten Stofffetzen in der Hand. Es war ein Stück von Georges Hemd.
    »Ich habe ihr das aus der Hand genommen«, flüsterte Mama.
    »Ich möchte nicht darüber sprechen«, sagte George. »Ruf Tante Flo an, wenn du willst. Ich bin müde. Ich will ins Bett.«
    Sie machte eine Bewegung, als wollte sie ihn zurückhalten, ließ ihn aber gehen. Er ging in das Zimmer hinauf, das er mit Buddy teilte, und öffnete das Gitter des Heizschachts, damit er hören konnte, was seine Mutter als Nächstes tun würde. Sie würde Tante Flo nicht anrufen, jedenfalls nicht heute Abend, denn die Schnur war herausgerissen, und morgen nicht, denn kurz vor Mamas Rückkehr hatte George eine kurze Folge von Worten gesprochen, verballhorntes teilweise Latein, teilweise nur prä-druidische Grunzlaute, und über zweitausend Meilen entfernt hatte Tante Flo einen schweren Blutsturz im Gehirn erlitten und war tot umgefallen. Es war erstaunlich, wie diese Worte zurückkamen. Wie alles zurückkam.
    George zog sich aus und legte sich nackt aufs Bett. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und sah in die Dunkelheit hinauf. Langsam, lang sam breitete sich ein verhaltenes und ziemlich schreckliches Grinsen auf seinem Gesicht aus.
    Von nun an würde hier vieles anders werden.
    Ganz anders.
    Buddy, beispielsweise. George konnte es kaum erwarten, bis Buddy aus dem Krankenhaus nach Hause kommen und wieder mit seiner Löffelfolter der heidnischen Chinesen oder der indianische Seilfolter oder etwas

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