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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Fragen der konkreten Realität zwar nicht unwichtig, aber nicht so bedeutend wurden, wenn man sie im stummen, leeren Antlitz sterbender Überreste betrachtete. Er erkannte das mit dem Begriffsvermögen eines Erwachsenen und akzeptierte es mit der Erleichterung eines Erwachsenen. Dies war ein vergänglicher Fußabdruck in Form eines Schuhs in seinem Denken. Wie alle erwachsenen Erkenntnisse eines Kindes; erst in späteren Jahren erkennt das Kind, dass es durch solche zufälligen Erfahrungen geformt, geprägt wurde; im Augenblick nach dem Fußabdruck bleibt nur der bittere Pulvergeruch, der sich nach der Zündung einer Erkenntnis, die weit über das tatsächliche Alter eines Kindes hinausgeht, einstellt.
     
    Er brachte den Spiegel wieder ins Bad, ging zurück durch Omis Zimmer und warf im Vorbeigehen einen Blick auf ihre Leiche. Die untergehende Sonne hatte das alte tote Gesicht mit barbarischen orange-roten Farben bemalt, und George sah rasch weg.
    Er ging über den Flur und durch die Küche zum Telefon und war fest entschlossen, alles richtig zu machen. Er malte sich im Geiste schon aus, dass er Buddy etwas voraus haben würde; wenn Buddy ihn wieder aufzog; würde er einfach sagen: Ich war ganz allein im Haus, als Omi starb, und ich habe alles richtig gemacht.
    Dr. Arlinder anrufen, das war das Erste. Ihn anrufen und sagen: »Meine Großmutter ist gerade gestorben. Können Sie mir sagen, was ich machen muss? Sie zudecken oder so was?«
    Nein.
    »Ich glaube, meine Großmutter ist gerade gestorben.«
    Ja. Ja, das war besser. Die Erwachsenen glaubten sowieso nicht, dass ein Kind etwas wusste, darum war das besser.
    Oder wie wäre es mit:
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Großmutter gerade gestorben ist …«
    Klar! Das war am besten.
    Und dann würde er von dem Spiegel und dem Todesröcheln und allem anderen erzählen. Und der Doktor würde sofort herkommen, und wenn er Omi untersucht hatte, würde er sagen: »Ich erkläre dich für tot, Oma«, und zu George würde er sagen: »Du hast in einer schwierigen Situation den Schnattermann gemacht, George. Meinen herzlichen Glückwunsch.« Und George würde etwas angemessen Bescheidenes sagen.
    George las Dr. Arlinders Nummer und holte ein paarmal tief Luft, bevor er den Hörer abnahm. Er hatte immer noch Herzklopfen, aber es fühlte sich nicht mehr wie ein Morgenstern an. Omi war gestorben. Das Schlimmste war geschehen, und irgendwie war es nicht so schlimm, als darauf zu warten, dass sie nach ihrem Tee brüllte.
    Die Leitung war tot.
    Er lauschte der Stille, während seine Lippen immer noch die Worte formten: Tut mir leid, Missus Dodd, aber hier ist George Bruckner, und ich muss den Doktor wegen meiner Oma sprechen. Keine Stimmen. Kein Freizeichen. Nur Totenstille. Wie die Totenstille im Bett nebenan.
    Omi macht …
    … macht …
    Omi macht den Schnattermann.
    Wieder Gänsehaut, schmerzhaft und quälend. Er betrachtete starr den Pyrex-Teekessel auf dem Herd und die Tasse mit dem Kräuterteebeutel auf der Anrichte. Kein Tee mehr für Omi. Nie mehr.
    (macht den Schnattermann)
    George erschauerte.
     
    Er drückte mit dem Finger immer wieder auf den Trennknopf des Princess-Telefons, aber die Leitung war tot. Genauso tot wie …
    (machte genauso den Schnattermann wie)
    Er legte den Hörer so heftig auf, dass ein leiser Klingelton erklang, und nahm ihn hastig wieder in der Hoffnung ab, dass das Telefon wie durch ein Wunder wieder funktionierte. Auch die Leitung war immer noch tot, und dieses Mal legte er den Hörer langsam auf. Sein Herz klopfte immer stärker.
    Ich bin allein mit ihrer Leiche in diesem Haus.
    Er ging langsam durch die Küche, blieb einen Moment am Tisch stehen und schaltete das Licht ein. Es wurde dunkel im Haus. Bald würde die Sonne untergegangen sein, die Nacht würde hereinbrechen.
    Warten. Ich muss nur warten. Warten, bis Mama nach Hause kommt. Eigentlich ist es besser so. Da das Telefon nicht funktioniert, ist es besser, dass sie einfach gestorben ist, anstatt einen Anfall zu bekommen, mit Schaum vor dem Mund, und vielleicht aus dem Bett zu fallen …
    Ah, das war schlimm. Er wäre ganz gut ohne diese Pferdekacke ausgekommen.
    Zum Beispiel in der Dunkelheit allein zu sein und an tote Dinge zu denken, die noch lebendig waren – in den Schatten an den Wänden unheimliche Gestalten zu sehen und an den Tod zu denken, an die Toten zu denken, wie sie stanken und in der Dunkelheit auf einen zukamen; an dies und jenes zu denken: an Würmer zu

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