Blut - Skeleton Crew
Brief von Reg im Briefkasten. Diesmal zehn Seiten. In dem Brief wurden die gelben Flecken erklärt. Er hatte Kirschners geräucherte Würste nirgends auftreiben können und deshalb die von Jordan probiert.
Er schrieb, die Fornits liebten sie. Besonders mit Senf.
Ich war an diesem Abend ziemlich nüchtern gewesen. Aber sein Brief, zusammen mit den erbarmenswerten Senfflecken auf dem Manuskript, nahm mich so mit, dass ich direkt zur Hausbar ging. Gehe nicht über Los, ziehe nicht viertausend Mark ein. Geh nicht auf ›Betrunken‹.«
»Was stand sonst noch in dem Brief?«, fragte die Frau des Agenten. Sie war immer faszinierter von der Geschichte, und jetzt beugte sie sich über ihren nicht gerade kleinen Bauch hinweg vor – ihre Haltung erinnerte die Frau des Schriftstellers an Snoopy, der auf seiner Hundehütte steht und so tut, als wäre er ein Geier.
»Diesmal nur zwei Zeilen über seine Geschichte. Der ganze Brief war dem Fornit gewidmet … und mir. Die Wurst war wirklich eine ganz fantastische Idee gewesen. Rackne liebe sie, und aus Dankbarkeit …«
»Rackne?«, fragte der Schriftsteller.
»So heißt der Fornit«, sagte der Redakteur. »Rackne. Aus Dankbarkeit für die Wurst war Rackne bei der Überarbeitung ins Hintertreffen geraten. Der übrige Brief war das Klagelied eines Paranoikers. Sie haben so etwas noch nie im Leben gelesen.«
»Reg und Rackne … eine im Himmel geschlossene Ehe«, sagte die Frau des Schriftstellers und kicherte nervös.
»O nein, überhaupt nicht«, sagte der Redakteur. »Es war eine reine Arbeitsbeziehung. Und Rackne war männlich.«
»Erzählen Sie uns von dem Brief.«
»Den kenne ich nicht auswendig. Aber es ist auch besser so. Sogar Abnormität wird mit der Zeit langweilig. Der Briefträger war vom CIA. Der Zeitungsjunge war vom FBI, und Reg hatte einen Revolver mit Schalldämpfer in seiner Zeitungstasche gesehen. Die Nachbarn waren irgendwelche Spione; sie hatten Abhörgeräte in ihrem Lieferwagen. Er traute sich nicht mehr, im Laden an der Ecke einzukaufen, weil der Besitzer ein Androide war. Das hatte er schon lange vermutet, schrieb er, aber jetzt war er sich sicher. Er hatte die Drähte unter der Kopfhaut des Mannes gesehen, wo dieser eine Glatze bekam. Und die Radiummenge in seinem Haus war gestiegen. Nachts konnte er ein stumpfes grünliches Leuchten in den Räumen sehen.
Sein Brief endete folgendermaßen: ›Ich hoffe, Sie schreiben mir bald und berichten mir Näheres über Ihre eigene Situation (und die Ihres Fornits), was Feinde anbelangt, Henry. Ich bin überzeugt, dass der Kontakt zu Ihnen mehr als Zufall ist. Ich würde ihn vielmehr als Rettungsring bezeichnen, den (Gott? Die Vorsehung? Das Schicksal? Wählen Sie selbst die Bezeichnung, die Ihnen am meisten zusagt) mir im letzten Moment zugeworfen hat.
Ein Mann kann es unmöglich über längere Zeit hinweg allein mit tausend Feinden aufnehmen. Und dann schließlich festzustellen, dass man nicht allein ist … ist es übertrieben zu sagen, dass die frappierende Ähnlichkeit unserer Erfahrungen zwischen mir und der totalen Vernichtung steht? Vielleicht nicht. Ich muss wissen: Sind die Feinde hinter Ihrem Fornit genauso her wie hinter Rackne? Wenn ja, was unternehmen Sie dagegen? Wenn nicht, haben Sie eine Ahnung, warum nicht? Ich wiederhole: Ich muss es wissen. ‹
Unter der Unterschrift war wie immer die Zeichnung mit ›Fornit bitte Fornus‹, und dann folgte noch ein Postskriptum. Nur ein Satz. Aber tödlich: ›Manchmal frage ich mich, welche Rolle meine Frau spielt.‹
Ich las seinen Brief dreimal durch. Dabei trank ich eine ganze Flasche Black Velvet. Ich überlegte, wie ich seinen Brief beantworten sollte. Es war der Hilfeschrei eines Ertrinkenden, das war völlig klar. Die Kurzgeschichte hatte ihn eine Zeit lang über Wasser gehalten, aber nun war sie fertig. Jetzt hing es ausschließlich von mir ab, ob er sich weiterhin über Wasser halten konnte. Und das war logisch, denn schließlich hatte ich die Sache ins Rollen gebracht.
Ich ging in der Wohnung hin und her, durch alle leeren Zimmer. Und ich zog alle Stecker heraus. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich sehr betrunken war, und starkes Trinken macht erstaunlich beeinflussbar. Deshalb sind Verleger und Anwälte auch gern bereit, drei Drinks zu spendieren, bevor sie mit jemand beim Mittagessen über Verträge sprechen.«
Der Agent lachte schallend, aber die Stimmung blieb gedrückt und nervös und unbehaglich.
»Und außerdem dürfen Sie
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