Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
hängen und glitt aus der Hose. Er spannte all seine Kräfte an und zog sich hinein wie ein Mann, der Klimmzüge macht.
    »Helft mir!«, schluchzte er. »Helft mir, Leute, bitte, bitte.«
    »Jesus, Maria und Josef!«, murmelte Myron. Er war aus dem Generatorverschlag herausgekommen, um zu sehen, was hier los war.
    Ich war der Tür am nächsten, und ich packte Norm um die Taille und zog, so fest ich nur konnte, wobei ich auf den Fersen zurückwippte. Einen Moment bewegten wir uns rückwärts, aber nur einen Moment. Es war so, als dehne man ein Gummiband oder ein Kaubonbon. Das Tentakel gab seine Beute keineswegs frei. Dann bewegten sich drei weitere Tentakel aus dem Nebel auf uns zu. Eines schlang sich um Norms herabhängende rote Schürze und riss sie weg. Dann verschwand es wieder im Nebel, und der rote Stofffetzen mit ihm, und mir fiel etwas ein, was meine Mutter zu sagen pflegte, wenn mein Bruder und ich um etwas bettelten, was sie uns nicht geben wollte – Süßigkeiten, Comics, ein Spielzeug. »Du brauchst das wie eine Henne eine Fahne«, pflegte sie zu sagen. Ich dachte an ihre Worte, und ich dachte an dieses Tentakel, das Norms rote Schürze schwenkte, und ich fing an zu lachen. Ich lachte, aber mein Gelächter und Norms Schreie klangen ziemlich gleich. Wahrscheinlich wusste niemand außer mir, dass ich lachte.
    Die beiden anderen Tentakel glitten einen Augenblick ziellos auf der Laderampe hin und her, wobei sie jene leisen schabenden Geräusche verursachten, die ich vorhin gehört hatte. Dann klatschte eines gegen Norms linke Hüfte und schlang sich darum. Ich spürte, wie es meinen Arm berührte. Es war warm und pulsierend und glatt. Inzwischen glaube ich, dass auch ich im Nebel verschwunden wäre, wenn es mich mit seinen Saugnäpfen erwischt hätte. Aber das tat es nicht. Es packte Norm. Und das dritte Tentakel ringelte sich um seinen Knöchel.
    Jetzt wurde er von mir weggezogen. »Helft mir!«, schrie ich. »Ollie! Irgendwer! Steht nicht so rum!«
    Aber sie kamen nicht. Ich weiß nicht, was sie machten, aber sie kamen nicht.
    Ich schaute nach unten und sah, dass das Tentakel um Norms Hüften sich in die Haut grub. Die Saugnäpfe fraßen ihn, wo das Hemd aus der Hose gerissen worden war. Blut, so rot wie die geraubte Schürze, quoll aus der Wunde, die das pulsierende Tentakel gerissen hatte.
    Ich schlug mir den Kopf an der unteren Kante der halboffenen Tür an.
    Norms Beine waren wieder draußen. Einer seiner Sportschuhe war heruntergefallen. Ein neues Tentakel kam aus dem Nebel, schlang seine Spitze fest um den Schuh und verschwand damit. Norms Finger umklammerten die Unterkante der Tür. Umklammerten sie in Todesangst. Seine Finger waren weiß. Er schrie nicht mehr; dazu hatte er keine Kraft mehr. Er schüttelte den Kopf in einer endlosen Verneinungsgeste hin und her, sein langes schwarzes Haar peitschte wild.
    Ich sah über seine Schulter und erblickte neue Tentakel, dutzende, ganze Wälder. Die meisten waren klein, aber ein paar waren riesig, so dick wie der Baum mit dem Mooskorsett, der heute Morgen über unserer Auffahrt gelegen hatte. Die großen hatten bonbonrosa Saugnäpfe, die so groß wie Kanaldeckel zu sein schienen. Eines dieser großen Tentakel schlug mit einem lauten klatschenden Schwatt auf die Betonrampe und bewegte sich wie ein großer blinder Regenwurm träge auf uns zu. Ich zog mit aller Kraft, und das Tentakel, das Norms rechte Wade umklammerte, rutschte ein Stück. Das war alles. Aber bevor es wieder zupackte, konnte ich sehen, dass das Ding ihn auffraß. Eines der Tentakel strich haarscharf an meiner Wange vorbei und fuchtelte wie ein Redner in der Luft. Da dachte ich an Billy. Billy lag schlafend im Supermarkt, neben Mr. McVeys langer weißer Fleischtheke. Ich war hierhergekommen, um eine Decke für ihn zu suchen. Wenn eins von diesen Dingern mich zu fassen bekam, wäre niemand mehr da, der auf ihn aufpassen konnte – außer vielleicht Norton.
    Deshalb ließ ich Norm los und fiel auf Hände und Knie.
    Ich war halb drinnen und halb draußen, direkt unter der Tür. Ein Tentakel glitt links an mir vorbei – es schien auf seinen Saugnäpfen zu laufen. Es saugte sich an einen von Norms gespannten Oberarmen fest, verweilte einen Moment und wickelte sich dann spiralförmig darum.
    Jetzt sah Norm wie etwas aus dem Traum eines Wahnsinnigen vom Schlangenbeschwören aus. Tentakel zuckten fast überall auf ihm … und ebenso um mich herum. Ich machte einen ungeschickten Bocksprung nach

Weitere Kostenlose Bücher