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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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dem Holster. Er hielt sie schussbereit, doch seine Finger bebten unkontrolliert.
    Er musste schlucken.
    Im selben Moment tauchte der Rabe wieder auf. Es waren keine dreißig Sekunden vergangen. Das Messer in seinen Händen war verschwunden, stattdessen trug er nun wieder die Kalaschnikow im Anschlag.
    »Eine Art Kirche«, flüsterte Alexander. »Aber es fehlen religiöse Symbole. Nur einfache Bänke und ein schlichter Steinquader im hinteren Teil. Wohl ein Altar. Keine weiteren Türen. Das hier ist wohl der einzige Zugang.« Er zuckte mit den Achseln. »Zumindest war der Mönch der einzige. Aber du musst aufpassen. Wäre ich weiter weg gestanden, hätte er dir den Hals umgedreht. Du wärst jetzt tot.«
    Erik schaffte nur ein mattes Nicken. Seine Nackenmuskeln brannten dabei wie Feuer und ließen ihn das Gesicht verziehen.
    »Danke Alexander. Ich hoffe, du musst mir nicht nochmals das Leben retten. Ich hasse Schulden.«
    Alexander schnaubte. Es hörte sich nach einem unterdrückten Lachen an. »Dito. Aber hättest du mich nicht über Bruder Raphael aufgeklärt, wäre ich mittlerweile vielleicht selbst unter der Erde.« Er klopfte Erik sanft auf die Schulter. »Komm. Wir müssen Natalja befreien.«
    Erik nickte nur, dann setzten sie den Weg durch den dunklen Gang fort. Der Zwischenfall hatte einen schalen Geschmack nach abgestandener Orangenlimonade auf seiner Zunge hinterlassen. Es war die bohrende Angst, die seine Innereien wie ein eiserner Ring zu umklammern schien.
    Erik mahnte sich zur Ruhe. Trotzdem zitterten seine Beine bei jedem Schritt wie Espenlaub.
    ***
    Der mächtige Hain in seinem Rücken verströmte Ruhe und strich ihm besänftigend wie ein liebevoller Vater über das Haupt. Zumindest hatte Reimund dieses wonnige Gefühl, als er im schwachen Schein, der vom beleuchteten Kreuzgang herüberstrahlte, am Rande der Bäume stand, weichen Humus, glitzernde Kristalle und graues Moos unter seinen Füßen.
    Sein Puls hatte sich vollständig beruhigt, war auf einen konstanten Schlag pro Sekunde herabgesunken und hatte das Adrenalin aus ihm herausgeschwemmt.
    Selbst die Schmerzen in seinem unteren Rücken waren zu einem erträglichen, dumpfen Pochen verkommen, versunken in den dicken Stämmen der Vorzeit.
    Reimund konnte jetzt nur noch warten.
    Seine volle Konzentration war auf das offenstehende Tor gerichtet, über dem sich ein Rundbogen spannte. Dort würden irgendwann der Rabe und Erik erscheinen und sterben.
    Seine Kräfte waren hier im Hain schlagartig regeneriert. Der Kontakt zu den Wurzeln und Stämmen brachte die Macht mit sich. Er spürte den Fluss des Lebens und das Wohlwollen.
    Reine Energie manifestierte sich zwischen seinen Fingern, waberte knisternd um sie herum, bildete Eiskristalle, die zu Boden rieselten, und wollte weiter anschwellen, doch Reimund hielt sie noch zurück. Noch legte er der zerstörerischen Kraft Fesseln um.
    Aber lange würde es nicht mehr dauern. Dann würde er die unsichtbaren Ketten einreißen, alles von sich schleudern, was er hier aufbringen konnte. Er würde Erik und den Raben mit einem gewaltigen Schlag vernichten.
    Er wusste, was geschehen würde, fast so, als wäre es bereits geschehen.
    Es würde ein angenehmer Tod für die beiden werden. Kurz und schmerzlos. Die natürliche Macht aus Eis und Kälte würde ihr Blut in den Adern gefrieren lassen, dieses würde sich ausdehnen und die Innereien und feinen Äderchen platzen lassen und das Leben im Bruchteil einer Sekunde auslöschen.
    Und dieses Mal würde er nicht vorbeiwerfen. Nein. Er würde die Macht so flächig entfesseln, dass sie nicht mehr ausweichen konnten . Dann würde dieser Terz endlich enden und was die restlichen Mitwisser betraf, nun, sie waren zwar ein Dorn im Auge des Klosters, aber keine akute, ernstzunehmende Bedrohung. Er würde sie nach und nach bei Seite schaffen. Still und heimlich. Dann würde endlich wieder Ruhe einkehren, Ruhe die sie alle bitter nötig hatten in Zeiten der Wende. Alle hatten wahrlich genug zu tun.
    Sein Blick verirrte sich für den Bruchteil einer Sekunde in den dunklen Nachthimmel. Wie in einem friedlichen Wunderland sank das dicke Weiß herab, tänzelte lächelnd durch die Luft, nur um sich als wattige Schicht über die Welt zu legen.
    Der Anblick entlockte Reimund ein stolzes Lächeln. Bruder Toss und seine Gefährten vollbrachten wahrlich ein Meisterwerk. Er hoffte inständig, dass es in die Geschichtsbücher eingehen würde.
    Der Gedanke schwemmte Melancholie mit an und das

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